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Leopold Ernst


Foto Privatbesitz

Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Ausstellungen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 14.10.1808 - † 17.10.1862
Geschlecht: m
Geburtsort: Wien
Land: Österreich
damaliger Name: Kaisertum Österreich
Sterbeort: Wien
Land: Österreich
damaliger Name: Kaisertum Österreich
Titel: Dombaumeister
Religionsbekenntnis: Röm. - Kath.
Berufsbezeichnung: Architekt, Steinmetz, Maler und Dombaumeister
Familiäres Umfeld: Vater: Franz E., Greissler (Kaufmann), später Wirt
Mutter: Josepha, geb. Stöger
Ehe (1838) mit Eleonora, geb. Hertl (1812–1861)
Kinder: Rosa Maria Antonia (*1838); Hugo Maria Leopold Margaretha (1840–1930), Architekt; Juliane Maria Eleonore (*1841); Gustav Anton (*1843); Therese Maria Eleonore (*1845); Eleonore Leopoldine; Rudolf
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Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
1821–1831Akademie der bildenden Künste (zuerst Graveurschule, dann bei Nobile Architekturschule)
1823–1826Bau- und Steinmetzlehre bei Andreas Lechner
1825–1831Polytechnisches Institut Wien
1831–1833Reise nach Italien
1841Reise nach Istrien, Dalmatien, Oberitalien, Süddeutschland
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Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
ab 1835Tätigkeit bei Graf Breunner (Schloss Grafenegg)
1849–1853Tätigkeit im Ministerium des Handels, der Gewerbe und öffentlichen Bauten
1853–1862Dombaumeister von St.Stephan
1856Sekretär der Abteilung für gewerbliches Zeichnen des NÖ Gewerbevereins
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Auszeichnungen und Ämter
1825Gundelpreis
ab 1848wirkl. Mitglied der Akademie der bildenden Künste
1858Jurymitglied Wettbewerb Stadterweiterung
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Mitgliedschaften
ab 1846Albrecht-Dürer-Verein
um 1855NÖ Gewerbeverein
ab 1856Pensionsgesellschaft bildender Künstler in Wien
o.J.Mitbegründer des Vereins zur Erhaltung der Denkmale in Wien (Vorgänger des Alterthumsvereins)
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Vita
Leopold Ernst wurde 1808 in einfachen Verhältnissen als Sohn eines kleinen Kaufmannes geboren. Mit 13 Jahren besuchte er die Graveurschule, und ein Jahr später die Architekturschule an der Akademie der bildenden Künste, wo er Pietro Nobile als Lehrer hatte. Gleichzeitig war er am Polytechnikum (der späteren Technischen Hochschule) inskribiert. Nach Studienabschluss unternahm er gemeinsam mit dem befreundeten Maler Friedrich Amerling eine zweijährige Reise nach Italien.

Nach seiner Rückkehr versuchte sich Leopold Ernst zunächst als Porträtmaler, erhielt jedoch 1835 durch Vermittlung seines Freundes Amerling eine Anstellung bei Graf Breunner, der ihn mit dem Aus- und Umbau bzw. einer völligen Neugestaltung von Schloss Grafenegg, NÖ, betraute, einer Aufgabe, mit der Leopold Ernst in der Folge bis an sein Lebensende befasst war.

Im Jahr 1841 unternahm Ernst wiederum eine ausgedehnte Studienreise. In den darauf folgenden Jahren war er neben den Arbeiten am Schloss Grafenegg mit der Errichtung einer gotischen Kapelle für Graf Strachitz in Mähren, mit der Neugestaltung der Prälaten-, Herren- und Rittersäle im NÖ Landhaus, Wien 1, Herrengasse 13 (1845–1846), sowie gemeinsam mit J. Oescher mit der Herausgabe der „Baudenkmäler des Mittelalters im Erzherzogtum Österreich“ (1846–1848) beschäftigt.

Nach dem Revolutionsjahr 1848 fand Ernst keine ihm zusagende Tätigkeit und laut Wurzbach soll er überlegt haben, nach England und später nach Amerika auszuwandern. Allerdings fand Ernst dann doch eine Anstellung im Staatsdienst, die er bis 1853 innehatte, als er zum Dombaumeister von St.Stephan ernannt wurde. Daneben arbeitete er weiterhin am Ausbau des Schlosses Grafenegg und – versorgt mit zwei Lebensstellungen – dachte er nicht mehr daran, das Land zu verlassen.

Leopold Ernst war vielseitig interessiert und engagiert: als Mitglied des NÖ Gewerbevereins arbeitete er einen neuen Lehrplan für die Abteilung gewerbliches Zeichnen aus, und als wirkliches Mitglied der Akademie entwarf er Reformvorschläge für dieses Institut. Bei dem bedeutenden Wettbewerb für den Stadterweiterungsplan von Wien (1858) fungierte Ernst als Juror.

Seine wichtigste „Nebenbeschäftigung“ war allerdings die Ölmalerei, wobei er vor allem Architekturmotive aus Italien und Österreich wählte. Ernst soll rund 43 Ölgemälde geschaffen haben, die zum Teil in Ausstellungen gezeigt wurden und von denen sich auch einige im Besitz der Österreichischen Galerie Wien bzw. der Hamburger Kunsthalle befinden sollen.

Leopold Ernst war verheiratet und hatte 7 Kinder. Sohn Hugo wurde Steinmetzmeister und arbeitete sowohl am Stephansdom als auch am Schloss Grafenegg mit, und vollendete nach dem Tod des Vaters bei beiden Bauten dessen geplante Vorhaben.

Leopold Ernst starb nur zwei Jahre, nachdem er mit dem Bau eines eigenen Hauses in Wien 4, Schmöllerlgasse 3 (1860) begonnen hatte, bereits im 54.Lebensjahr an Gehirnlähmung in Wien und wurde am Matzleinsdorfer Friedhof begraben.

Leopold Ernst scheint ein schwieriger Charakter gewesen sein. Als Ludwig Zettl dem Kaiser eine Liste der in Frage kommenden Juroren für den Wettbewerb für die Stadterweiterung Wiens vorlegte, charakterisierte er ihn zwar als tüchtigen Architekten, aber „...wegen seines nit sehr empfehlenswürdigen Benehmen weniger geachtet“. Vielleicht erklärt dies auch, dass Ernst – obwohl seine Verdienste allgemein anerkannt waren – weder eine Auszeichnung noch einen Nachruf erhielt.
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Stellenwert
Leopold Ernst gehörte zu jener Architektengeneration, die zwar bei Pietro Nobile eine klassizistische Ausbildung erfahren hatten, aber sich später eher von den romantischen Strömungen in der Baukunst angezogen fühlten. Kennzeichnend ist die gehäufte Verwendung architektonischer und dekorativer Formen aus dem Repertoire der Architektur des Mittelalters nach individuellem Gutdünken. Um über das mittelalterliche Vokabular frei verfügen zu können, war jedoch erst dessen Kenntnis Voraussetzung und Leopold Ernst publizierte daher gemeinsam mit Leopold Oescher möglichst exakte Aufnahmen alter Bauten für Studien und Lehrzwecke unter dem Titel „Baudenkmale des Mittelalters im Erzherzogthum Österreich“.

Paradigmatisch hat Leopold Ernst die romantische Strömung des frühen Historismus beim Schloss Grafenegg, NÖ, verwirklicht. Die Ursprünge des Schlosses reichen bis in die Spätgotik zurück. Ernsts Aufgabe war nun die Errichtung neuer Gebäude, wie etwa einer Reitschule, einer Taverne oder eines Gewächshaus. Darüber hinaus war sein Auftrag, das bestehende, bereits mehrmals umgebaute Gebäude sowohl außen als auch innen umfassend zu erneuern, wobei es auch mit einem Rittersaal, einer Wappenstube sowie einer Kapelle zu einer Erweiterung der Anlage kam.

Während um die Jahrhundertmitte des 19.Jh.s am Hof eher sparsame, klassizistische Formulierungen bevorzugt wurden, versuchte der Adel gerade im Schlossbau am Lande durch üppigen Reichtum der Formulierungen seine Bedeutung zu manifestieren, wobei der phantasievolle neogotische Stil äußerst bemerkenswerte romantische Schlossbauen entstehen ließ. Leopold ging im Allgemeinen schonend mit der vorhandenen Bausubstanz um, verlieh aber dem Schloss durch Hinzufügen von Treppengiebeln, Arkaden sowie der Fassadendekoration im neugotischen Tudorstil einen völlig veränderten Gesamteindruck.

In Wien erlangte Leopold Ernst allerdings als Dombaumeister von St.Stephan Bedeutung. Zu seinen wichtigsten Arbeiten gehörte die Ausführung der Langhausgiebel, von denen bislang nur einer mit Maßwerk versehen war, während die restlichen bemalt waren. Weiters war die Turmspitze des Südturmes zu erneuern. Nachdem von Josef Amann nach der Beschießung des Stephansturmes durch die Franzosen bereits 1804 Reparaturarbeiten vorgenommen worden waren, zeigte sich, dass die verwendete Eisenkonstruktion fehlerhaft war, und Ernst musste daher eine komplette Erneuerung vornehmen.

In der ersten Hälfte des 19.Jh.s galt bei Restaurierungen das Ideal, die Gebäude möglichst originalgetreu wieder herzustellen. Das berühmteste Beispiel ist der Kölner Dom, dessen Fassade und Türme um 1840 nach aufgefunden mittelalterlichen Plänen fertiggestellt wurden. Auch Leopold plante beim Stephansdom die Fertigstellung des Nordturms, eine stilreine gotische Erneuerung der Westfassade, eine Neupolychromierung sowie den neogotischen Ersatz der barocken Einrichtung und Fenster. Zunächst mit den Giebeln und der Turmspitzenerneuerung beschäftigt, kam es vorderhand nicht zu diesen – nicht unumstrittenen – Maßnahmen. Später einsetzende Strömungen zu einer „konservierenden Denkmalpflege“ lehnten schließlich solche radikalen Änderungen ab und bevorzugten die Restaurierung der bestehenden Bausubstanz.

Leopold Ernst ist nur mit einem neu errichteten Gebäude, seinem eigenen Haus, als Architekt in Erscheinung getreten (4, Schmöllerlgasse 3, 1860). Die dreistöckige Villa von bedeutendem Ausmaß ist nur durch wenige Risalite und Balkone gegliedert. Bemerkenswert ist, dass Ernst mit diesem Gebäude durch gotisierende Dekorformen sowohl am Außen- als auch im Innenbau – der Vorraum ist mit einem Sternrippengewölbe ausgestattet – einen der wenigen, in Wien erbauten Profanbauten in romantischer Neogotik schuf.

Die Bedeutung Leopold Ernst für Wien liegt jedoch zweifellos in seiner Tätigkeit als Dombaumeister von St.Stephan. Durch seine Studien der mittelalterlichen Baukunst zeigte er großes Verständnis und Einfühlungsvermögen in die gotische Baukunst, wodurch er fähig war, in diesem kaum noch erforschten Stil zu arbeiten. Welches Neuland er beschritt, zeigt sich daran, dass er sich, wie Wurzbach betont, erst die entsprechenden Mitarbeiter „heranbilden musste“, um diese „Riesenarbeit zu bewältigen“.
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Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
ab ca.1840Schlossanlage Grafenegg, NÖ (Aus- und Umbauten, mit Sohn Hugo)
1853Villa Geyling, Wien 14
1860Villa Leopold Ernst, Wien 4, Schmöllerlgasse 3 (nicht erhalten)
o.J.Villa Ernst, Baden, NÖ
o.JUmbauten Schloss Grätz, Mähren / Hradec nad Moravici, CZ

ÖFFENTLICHE BAUTEN:
1841Kapelle für Graf Strachowitz, Sebetov, CZ
1851–1852Stephansdom, Wien 1, Stephansplatz 1 (Erste Regotisierungsmaßnahmen)
1853–1856Stephansdom, Wien 1, Stephansplatz 1 (Neuschöpfung der Maßwerksverblendungen der Langhausgiebel analog des Friedrichsgiebel)
1856Grabmal Josefa Melly, neogotischer Tabernakelpfeiler (ehemals am Schmelzer Friedhof, heute bei der Christ-Königskirche Wien 15, Vogelweidplatz 7–8)
1861–1862Stephansdom, Wien 1, Stephansplatz 1 (Erneuerung der Turmspitze des Südturms, nach Tod Fortsetzung der Arbeit von Friedrich Schmidt)

INNENRAUMGESTALTUNG/DESIGN:
1846Innenausstattung Vereinslokal Albrecht Dürer-Saal im Gasthaus „Zum blauen Strauß“ auf der Laimgrube, Kothgasse 162 (nicht erhalten)
1845–1846Niederösterreichisches Landhaus, Wien 1, Herrengasse 13 (Prälatensaal, Herren- und Rittersaal)

NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
1848Altlerchenfelder Kirche Wien (Wettbewerb)
1849–1853k.k. Hofschauspielhaus auf dem Ballhausplatz (Entwurf)
1849–1853Franzenstor (Entwurf)
1849–1853Hofoper (Entwurf)
1849–1853Kärntnertor (Entwurf)
1852Breitenfelder Kirche (geladener Wettbewerb, Einladung nicht angenommen)
1855Votivkirche (Wettbewerb)
1862Umbau Palais Breunner, Mölkerbastei
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Primärquellen

PUBLIKATIONEN:
L. Ernst / J. Oescher: Baudenkmäler des Mittelalters im Erzherzogtum Österreich. 1846–1848 (4 Hefte erschienen)
L. Ernst: Gothische Briefe. Wien 1854
L. Ernst: Architektonische Erörterungen. Wien 1855

VORTRÄGE:
L. Ernst: Rede gehalten am 25. März 1848 in einer Versammlung an der freien kaiserl. Akademie der vereinigten bildenden Künste in Wien. Wien 1848

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
TUAW; Archiv Adler; ABK; TUAW; Wr. Ringstraßenarchiv; Pfarrarchive St.Stephan, Margareten, St.Karl
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Sekundärquellen

LITERATUR:
W. Bandion: Steinerne Zeugen des Glaubens. Die heiligen Stätten der Stadt Wien. Wien 1989, S.30
K. Eggert: Der Wohnbau der Wiener Ringstraße im Historismus 1855-1896. Die Wr.Ringstraße Bd.7, Wiesbaden 1976
R. Eitelberger: Kunst und Künstler Wiens. Wien 1878
H. Fillitz (Hg.): Der Traum vom Glück (Ausst.Kat.) Wien 1996, S.460
G. Frodl (Hg.): Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, 19.Jh. Bd.5, München u.a. 2002
Hist.Museum d.Stadt Wien (Hg.): Bürgersinn und Aufbegehren. Biedermeier und Vormärz in Wien 1815–1848. (Ausst.Kat.) Wien 1988
Hist. Museum d.Stadt Wien (Hg.): Das ungebaute Wien 1800 bis 2000. (Ausst.Kat.) Wien 1999, S.38–43
A. Kieslinger: Die Steine der Wiener Ringstraße – ihre technische und künstlerische Bedeutung. Die Wr.Ringstraße, Bd.4, Wiesbaden 1972
W. Kitlitschka: Zur Restaurierung und Revitalsisierung der niederöstrreichischen Burgen und Schlösser. In: Alte und moderen Kunst, 1975, Sonderheft, S.44ff [Schloss Grafenegg]
P. Kortz: Wien am Anfang des 20.Jh.s. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Wien 1906
K. Mollik / H. Reining / R. Wurzer: Planung und Verwirklichung der Wr.Ringstraßenzone. Die Wr.Ringstraße, Bd.3 (Textband), Wiesbaden 1980
ÖKT 44: G. Hajos: Die Profanbauten des III., IV. und V. Bezirks. Wien 1980
E. Springer: Geschichte und Kulturleben der Wiener Ringstraße. Die Wr.Ringstraße, Bd.2, Wiesbaden 1979
R. Wagner-Rieger / W. Krause: Historismus im Schloßbau. Wien / Passau 1975
R. Wagner-Rieger: Geschichte der Architektur in Wien. Vom Klassizismus bis zur Secession. In: Geschichte der bildenden Kunst in Wien. Bd.7/3, Wien 1973

HINWEISE AUF WERKE:
Wiener Bauindustriezeitung
6.1889, S.179, T.34 (Giebel von St.Stephan)

NACHSCHLAGEWERKE:
Dehio Wien/1 (I.Bez); Dehio Wien/2 (II.–IX.u.XX.Bez.); Dehio Wien/3 (X.–XIX.u.XXI.–XXIII.Bez.); Dehio NÖ/Nord
L. Eisenberg: Das geistige Wien. Wien 1893;

LEXIKA:
Czeike; ThB; AKL; ÖBL; Wurzbach; ÖKL
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Ausstellungen
Ausstellungen seiner Ölgemälde in Wien und Hamburg
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Anmerkungen
Eingegeben von: Inge Scheidl
Eingegeben am: 31.10.2011
Zuletzt geändert: 11.12.2011
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