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Paul Engelmann

Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Ausstellungen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 14.06.1891 - † 05.02.1965
Geschlecht: m
Geburtsort: Olomouc
damaliger Name: Olmütz, Mähren
Land: Tschechien
damaliger Name: Österreich-Ungarn
Sterbeort: Tel Aviv-Jaffa
Land: Israel
Religionsbekenntnis: Mosaisch
Berufsbezeichnung: Architekt, Literat, Philosoph
Familiäres Umfeld: Vater: Max E., Kaufmann (*1856)
Mutter: Ernestine, geb. Brecher
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Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
1910Matura Realgymnasium in Olmütz
1910Inskription an der Technischen Hochschule Wien (K. König)
1912Schüler von Adolf Loos
1915Architekturdiplom bei A. Loos
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Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
1911Privatsekretär von Karl Kraus
1912-1921Mitarbeiter von Adolf Loos
1914Militärdienst (wegen Lungenleidens 1915 entlassen)
1934Emigration nach Palästina / Israel, Möbeldesigner für das Möbelgeschäft „The cultivated home“ von Dr. Wachsberger und selbständiger Architekt
1962Beteiligung an der Gründung und Redaktion der hebräischen Zweimonatsschrift „Prozdor“ (Publikation zahlreicher Aufsätze)
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Mitgliedschaften
o.J.Zionistischer Jugendbund „Blau-Weiß“
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Vita
Paul Engelmann wurde 1891 als Sohn deutschsprachiger Juden in Olmütz, dem heutigen Olomouc, Tschechien, geboren. Er besuchte zunächst die Realschule, erhielt jedoch nach einer Tuberkuloseerkrankung Privatunterricht und legte nach mehreren Aufenthalten in verschiedenen Sanatorien im Jahr 1910 seine Reifeprüfung ab. Anschließend ging er nach Wien, um an der Technischen Hochschule ein Architekturstudium zu absolvieren. Hier lernte Engelmann Karl Kraus kennen, als dessen Privatsekretär er einige Zeit tätig war. Zu den Aufgaben Engelmanns zählte es etwa, Zeitungsausschnitte für Kraus’ Antikriegsdrama „Die letzten Tage der Menschheit“ zu sammeln. Im Jahr 1911 publizierte Engelmann in der von Karl Kraus herausgegebenen Zeitschrift „Die Fackel“ ein Sonett „Das Haus auf dem Michaelerplatz“, ein Loblied auf das von Adolf Loos 1909-1911 errichtete Gebäude für die Schneiderfirma Goldman & Salatsch.

Als Adolf Loos im Jahr 1912 seine Privatschule eröffnete, verließ Engelmann die Technische Hochschule und wurde einer der ersten Schüler von Loos. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Engelmann eingezogen, auf Grund seines wieder virulent gewordenen Lungenleiden aber bereits 1915 entlassen. Engelmann kehrte in seine Heimatstadt Olmütz zurück, wo er bis zum Tod seiner Mutter im Jahr 1934 in seinem Elternhaus lebte, lediglich unterbrochen von zeitweiligen Aufenthalten in Wien. Vielseitig kulturell interessiert gehörte Engelmann in Olmütz dem Intellektuellenkreis um Jacques Groags Vetter Heinrich an.

Über Vermittlung von Adolf Loos lernte Engelmann im Jahr 1916 Ludwig Wittgenstein kennen, der als Artillerieleutnant in Olmütz stationiert war. Gespräche und ein reger Briefverkehr über dessen „Tractatus logico-philosohicus“, über Ethik und Ästhetik, Religion, Kunst und Literatur verband die beiden Denker in der Folge in jahrelanger Freundschaft.

Im Jahr 1918 lud Adolf Loos Engelmann zur Mitarbeit ein und beauftragte ihn vor allem mit Arbeiten für den Umbau eines Schlosses und mit der Errichtung eines Landhauses für Prinz Sapieha in Polen. Engelmann scheint allerdings nur bei dem von Loos ausgeführten Entwurf für das Haus Hermann Konstandt in Olmütz als Mitautor auf, zumal seine Zusammenarbeit mit Loos nur von kurzer Dauer war. Um sich verstärkt seinen literarischen und philosophischen Interessen widmen zu können, schied Engelmann nämlich schon im Jahr 1921 wieder aus und begann an seinem Hauptwerk „Psychologie graphisch dargestellt“ zu arbeiten, das er allerdings nie fertigstellte.

Zeit seines Lebens beschränkte Engelmann seine Tätigkeit als Architekt auf ein Minimum, indem er nur so viele Aufträge annahm, wie er zur Bestreitung seines Lebensunterhalts benötigte. Zunächst allerdings war er nur mit Inneneinrichtungen und Möbelentwürfen in Olmütz befasst. Auf Empfehlung von Ludwig Wittgenstein wählte später dessen Schwester Hermine für die Innen- und Umgestaltung der Familienvilla in Neuwaldegg Paul Engelmann als Innenarchitekten.

Im Jahr 1925 beauftragte Margarete Stonborough-Wittgenstein, die Schwester von Hermine und Ludwig Wittgenstein, den inzwischen eng mit der Familie befreundeten Paul Engelmann mit den Planungsarbeiten für ein Stadthaus in Wien. Gleichzeitig plante Engelmann die Errichtung des Hauses Müller in Olmütz und Siedlungshäuser in Stanislowow, Polen, dem heutigen Ivano-Frankovsk in der Ukraine.

Als Engelmanns Mutter starb, verwirklichte er die schon länger gehegten Pläne und wanderte nach Israel, damals Palästina aus. Er arbeitete zunächst als Möbeldesigner für Dr. Wachsbergers Möbelgeschäft „The cultivated home“ in Tel Aviv. Daneben plante er als selbständiger Architekt diverse Wohnbauten, Villen und öffentliche Gebäude, die allerdings zumeist nicht realisiert wurden bzw. deren Realisierung nicht dokumentiert ist.

Auch in Palästina bestand seine Haupttätigkeit im Verfassen literarischer, künstlerischer und philosophischer Abhandlungen, in Vortragstätigkeiten sowie in der Teilnahme an Diskussionen. Die Bandbreite seiner Themen betraf die „Verständigung zwischen Juden und Arabern, Fragen der zunehmenden Technisierung der Gesellschaft und der Entfremdung des Einzelnen, Fragen des Wohnens, der Stadtentwicklung und des Bezugs der Menschen zur Natur, Fragen der Werbung, der Bedeutung und Verwendung der Sprache ebenso wie Fragen der Religion“ (U.A. Schneider 1999). Darüber hinaus publizierte er im Eigenverlag biographische Studien über Karl Kraus, Adolf Loos und Ludwig Wittgenstein.

Paul Engelmann war bis zu seinem Tod im 74.Lebensjahr unermüdlich tätig. Er starb im Jahr 1965 in Tel Aviv.
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Stellenwert
Paul Engelmanns Arbeiten als Architekt standen während seiner ganzen Schaffenszeit unter dem Einfluss des von ihm hoch verehrten Adolf Loos. Bei den Wohnungseinrichtungen plädierte er wie Loos für Zweckmäßigkeit und die Verwendung natürlicher Materialien, folgte aber gleichzeitig beinahe bedingungslos den Wünschen der Auftraggeber. Zum Teil waren seine Möbelentwürfe aus diesem Grund durchaus traditionell, zum Teil wiederum sachlich modern und funktionell. In der Kombination entstand jeweils eine individuelle wohnliche Atmosphäre, wie sie von den Auftraggebern geschätzt wurde.

Bei den wenigen Villenbauten, die Engelmann realisierte, erkennt man gleichfalls deutlich den Einfluss seines Lehrers, und zwar insbesondere am Einsatz des von Loos propagierten, von innen nach außen zu entwickelnden „Raumplans“. Dabei lagen die Räume auf verschiedenen Ebenen, so dass günstige Raum- und Funktionszusammenhänge hergestellt werden konnten. Die Fenster wurden entsprechend der inneren Anordnung der Räume in die Fassade eingeschnitten.

Engelmanns bedeutendste Arbeit in Wien stellt das Haus für Margarete Stonborough-Wittgenstein dar, das fortan als „Wittgensteinhaus“ in die Literatur einging und insbesondere durch einen mühevollen Entwicklungsprozess gekennzeichnet ist.

Als Margarete Stonborough-Wittgenstein Paul Engelmann mit der Erstellung von Plänen für ein Stadtpalais beauftragte, war noch kein geeignetes Gründstück gefunden worden. Trotzdem erarbeitete Engelmann mehrere Grundrissvarianten zu diesem Projekt. Als dann in Wien 3, Kundmanngasse ein Areal erworben wurde, dienten Engelmanns Vorschläge als Ausgangsbasis für die Einreichpläne. Von Anfang an hat sich die Bauherrin intensiv an den Planungsarbeiten beteiligt und eigene Vorstellungen eingebracht. Noch während der Planungsphase begann sich jedoch auch Ludwig Wittgenstein für dieses Projekt zu interessieren. Er trat, wie seine Schwester berichtete, in die „Firma“ ein und hat „sofort die Leitung übernommen“ (U. Prokop, 2003).

Da Engelmann bis dahin nur als Innenarchitekt tätig gewesen war und Wittgenstein als ausgebildeter Maschinenbauingenieur keine Erfahrung im Bauwesen hatte, wurde schließlich Jacques Groag, der ebenfalls ein Loos-Schüler und mit Engelmann befreundet war, als Baufachmann zugezogen. Diese, den Aufzeichnungen von Margarete Stonborough-Wittgenstein zufolge konfliktreiche Konstellation macht es beinahe unmöglich, die Anteile der einzelnen beteiligten Personen an dem letztlich ausgeführten Bauwerk abzuschätzen. Zweifellos ist aber Wittgensteins Anteil in hohem Maß gegeben, der in seinem ethischen Anforderungen entsprungenen, kompromisslosen Perfektionismus seine Anschauungen von einer idealen Proportionierung und von extremer Einfachheit durchsetzte. Margaretes Vorstellungen für ihr Stadthaus waren zunächst nämlich eher konventionell und hatten sich an historistischen Vorbildern orientiert, die nach außen durch eine symmetrische Gestaltung und im Inneren durch eine große und breite Treppe hohe Repräsentativität aufwiesen. Für Engelmann, der in Loos’ Raumplanung geschult war, waren diese Ansprüche schwer zu bewältigen, zumal die Bauherrin die Ästhetik von Loos zunächst ablehnte. Laut U. Prokop ist anzunehmen, dass deshalb erst Ludwig Wittgenstein, der sich mit den Theorien von Adolf Loos auseinandergesetzt hatte, die schließlich ausgeführte Lösung konzipierte, welche seine Schwester zu überzeugen und ihren Wunsch nach Repräsentation mit Loos’ Konzept des Raumplans zu vereinigen verstand. Auch die Ausformulierung des kubisch blockhaften Baukörpers, der Verzicht auf jegliche Ornamentik und schließlich die ungewöhnlich schmalen und hohen Fenster und Türen sowie die technische Einrichtung des Hauses gehen auf Wittgenstein zurück. Von Engelmanns Planungen scheint demgegenüber letztlich nur sehr wenig übrig geblieben zu sein.

Paul Engelmann war eine äußerst vielseitig interessierte Persönlichkeit. Die breit gefächerten Begabungen bewirkten jedoch, dass er schließlich in keinem Bereich reüssieren konnte. Zwar fanden die wenigen Werke, die er als Architekt ausführte, bei den Auftraggebern große Zustimmung, doch schränkte er diese Tätigkeit dessen ungeachtet zu Gunsten seiner philosophisch-literarischen Interessen ein. Sein geplantes Hauptwerk, die „Psychologie graphisch dargestellt“, hat er trotz dieses zweiten Arbeitsschwerpunkts nie fertiggestellt. Die Mehrzahl seiner Publikationen erfolgte zudem in Israel und blieb im Ausland weitgehend unbekannt. Seine „Leistungen“, so U.A. Schneider, „mögen auf den ersten Blick unscheinbar bis unsichtbar sein“. Bei intensiverer Beschäftigung offenbaren sich jedoch sehr rasch die Qualitäten dieses außergewöhnlichen Philosophen, Literaten und Architekten.
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Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
1926-1928Haus Wittgenstein, Wien 3, Kundmanngasse 19 (mit Ludwig Wittgenstein, Jacques Groag)
1927Hau Müller, Olmütz / Olomouc, CZ
1929Haus Guttmann in Mährisch-Ostrau / Ostrava, CZ
1930Villa Beckmann in Mährisch-Ostrau / Ostrava, CZ (Umbau)
1930Haus Groß, Leipnik bei Olmütz / Libnak nad Becvou, CZ
1930-1933Siedlungshäuser in Stanislowow, Polen / Invano-Frankovsk, UA (mit den Architekten Berliner und Oderfeldt)
nach 1934div. Wohnbauten in Israel

INNENRAUMGESTALTUNG/DESIGN:
1917-1919Innenausstattung der Villa Wittgenstein in Neuwaldegg, Wien 17
1929Interieur für die Familie Seidler, Olmütz / Olomouc, CZ
nach 1934Touristenklub und Versammlungssaal der Journalisten in Jerusalem
nach 1934Thronsaal des Königs Abdallah von Jordanien
div. Interieurs und Möbelentwürfe

NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
1912Stadtregulierungsplan von Wien (im Auftrag von Adolf Loos)
1913Studie zu einer Villa (Schülerarbeit bei Adolf Loos)
1920Haus Hermann Konstandt, Olmütz / Olomouc, CZ (mit Adolf Loos)
1929Öffentlicher Park und Freiluftschwimmbecken in Troppau (Wettbewerb, ein Preis)
nach 1934div. Entwürfe für Villen, Siedlungshäuser und öffentliche Gebäude in Palästina / Israel
1937Marktplatz in Haifa (Wettbewerb, mit Yehuda Kurt Unger)
1937Schule in Haifa (Wettbewerb, mit Yehuda Kurt Unger)
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Primärquellen

PUBLIKATIONEN:
Auswahl:
P. Engelmann: Gedanken. Tel Aviv 1944
P. Engelmann: Im Nebel. Tel Aviv 1945
P. Engelmann: Adolf Loos. Tel Aviv 1946
P. Engelmann: Ludwig Wittgenstein. Tel Aviv 1948
P. Engelmann: Dem Andenken an Karl Kraus. (Hrsg. Elazar Beyoetz, Wien 1967)
P. Engelmann: Ludwig Wittgenstein: Briefe und Begegnungen. (Hrsg. Brian Mc.Guinness, Oldenbourg 1970)
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Sekundärquellen

LITERATUR:
J. Bakascy (Hrsg.): Paul Engelmann und das mitteleuropäische Erbe. Der Weg von Olmütz nach Israel. Bozen o.J. (1999)
J. Bakacsy: Paul Engelmann (1891-1965). Diss. Uni.Innsbruck 2003
P.H(aiko), Der Plan von Wien, in: Hist. Museum d. Stadt Wien (Hrsg.): Das ungebaute Wien 1800-2000. (Ausst.Kat.) Wien 1999, S.112–115
W. Hoffmann: Ludwig Wittgenstein – ein Philosoph als Architekt. In: Der Bau 24.1969, H.1, S.3ff
B. Leitner: Die Architektur von Ludwig Wittgenstein. Halifax 1973
B. Leitner: Das Wittgensteinhaus. Ostfildern-Ruit 2000
G. Koller / G. Withalm: Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Wien 1985
I. Meder: Offene Welten: Die Wiener Schule im Einfamilienhausbau 1910-1938. Diss. Stuttgart 2003
ÖKT 44: G. Hajos: Die Profanbauten des III., IV., und V. Bezirks. Wien 1980
P. Plaisier: De leerlingen van Adolf Loos. Delft 1987
U. Prokop: Margaret Stonborough-Wittgenstein. Wien u.a. 2003
U.A. Schneider (Hrsg.): Paul Engelmann (1891-1965) Architektur, Judentum, Wiener Moderne. Wien u.a. 1999
V. Slapeta: Paul Engelmann u. Jacques Groag, die Olmützer Schüler von A. Loos. In: Bauwelt 69.1978, Nr.40, S.1494ff
E. Veith: La maison Wittgenstein a Vienne, 1926-1928 [Wittgenstein residence, Vienna, 1926-1928]; Architects: Ludwig Wittgenstein, and Paul Engelmann. In: Architecture Mouvment Continuite 1986, Nr. 13, S.88ff
P. Wijdeveldt: Ludwig Wittgenstein, Architekt. Amsterdam 1994

HINWEISE AUF WERKE:
Der Architekt
19.1913, T.148 (Studie zu einer Villa)

NACHSCHLAGEWERKE:
Achl. III/1; Arch. Wien
Dehio Wien/2 (II.-IX.u.XX.Bez.)

LEXIKA:
AKL; Weihsmann 05

INTERNETLINKS:
www.archinform.net
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Ausstellungen
1999 „Das ungebaute Wien“, Museum Wien am Karlsplatz (Der Plan von Wien)
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Anmerkungen
Eingegeben von: Inge Scheidl
Eingegeben am: 01.07.2007
Zuletzt geändert: 18.08.2008
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