A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | Z
Frantisek (Franz) Schmoranz


Privatbesitz. Karikatur von László von Frecskay „Der Architekt Schmoranz, als rein constructive Reichs-Aufbau-Schablone, fehlt jetzt dem Khedive!"

Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Ausstellungen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 19.11.1845 - † 12.01.1892
Geschlecht: m
Geburtsort: Slatinany
damaliger Name: Slatinian, Böhmen
Land: Tschechien
damaliger Name: Kaisertum Österreich
Sterbeort: Praha
damaliger Name: Prag
Land: Tschechien
damaliger Name: Österreich-Ungarn
Titel: Baurat
weitere Namen: Smoranz
Religionsbekenntnis: unbekannt
Berufsbezeichnung: Architekt
Familiäres Umfeld: Vater: Frantisek (Franz) S. sen., Baumeister u. Konservator (1814–1902)
Bruder: Gustav (1858–1930), Kunsthistoriker, Schriftsteller, Theaterdirektor
Bürogemeinschaft: mit J. Machytka
top
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
vor 1867technische höhere Schule Kuttenberg
vor 1867Polytechnikum Prag (bei J. Zitek)
1870–1872Studienreise nach Griechenland, Italien, Oberägypten, Kleinasien (mit J. Machytka)
top
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
1867–1869als Mitarbeiter K. Diebitsch in Ägypten tätig
1869–1870Architekt des ägyptischen Vizekönigs (Khedive) Ismail
ab 1872Architekturbüro in Wien (mit J. Machytka)
1878Kommissar für die österreichische Kunstabteilung auf der Pariser Weltausstellung
1882artist. Inspektor der Textilschulen Österreichs
1885Direktor der Kunstgewerbeschule Prag
top
Auszeichnungen und Ämter
1873Kaiser Franz Joseph-Orden
1876osman. Medjidjeh-Orden
1878Baurat
1884Korrespondent der Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale
o.J. Mitglied des Curatoriums des Kunstgewerbe-Museums in Prag
o.J.corresp. Mitglied der böhm. Kaiser-Franz-Josephs-Akademie für Wissenschaft, Literatur u. Kunst
top
Mitgliedschaften
1872Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens
top
Vita
Frantisek (Franz) Schmoranz wurde 1845 im böhmischen Slatinian (heute Slatinany, CZ) als Sohn eines Baumeisters geboren. Sein Vater Frantisek Schmoranz sen. war ein bekannter Baufachmann und Konservator, dem die Restaurierung bzw. „romantisierende“ Wiederherstellung von zahlreichen Kirchen und Burgen in Ostböhmen zu verdanken ist. Sohn Schmoranz erfuhr seine Erziehung „unter der unmittelbaren Leitung seines Vaters“ (Wurzbach, 1891). Er setzte seine Ausbildung in der technischen Höheren Schule in Kuttenberg (Kutna Hora, CZ) fort, wo er u.a. als Kollegen und Freund seinen späteren Büropartner Jan (Johann) Machytka traf. Zusammen absolvierten sie das Polytechnikum in Prag, wo sie beim bekannten Architekten und Professor Josef Zitek Architektur studierten und von dessen Vorliebe für Neorenaissanceformen beeinflusst wurden.

Bevor Schmoranz seinen Plan, an der Akademie der bildenden Künste in Wien zu inskribieren, umsetzte, begegnete er dem preußischen Architekten Karl von Diebitsch, der mit der Dekorierung des sich in Kairo in Bau befindenden Palais Gezira des ägyptischen Khedive (Vizekönig) tätig war. Diebitsch nahm Schmoranz als Zeichner in sein Büro auf, und die Auseinandersetzung mit der islamischen Kunst und Architektur bewirkte eine maßgebliche Wende in Schmoranz’ Laufbahn.

Schmoranz arbeitete zunächst mit Diebitsch im Kairo zusammen, nach dessen unerwartetem Tod (1869) nahm er seinen Platz ein und wurde Vertrauter des Khedive, sodass er im selben Jahr den Auftrag für den Bau des „Palais des Khedive Ismail“ bekam, der anlässlich der Suezkanal-Eröffnung errichtet wurde.

Während seines Kairoer Aufenthalts setzte sich Schmoranz mit diversen Bauaufnahmen auseinander. 1870 unternahm er eine ausgedehnte Studienreise mit J. Machytka nach Griechenland, Italien, Oberägypten und Kleinasien.

Ab 1872 wieder in Wien, eröffnete Schmoranz ein Architekturbüro mit Jan Machytka. Ihr bekanntestes Werk wurde die ägyptische Baugruppe für die Wiener Weltausstellung 1873; es folgten weitere wichtige Aufträge sowohl in Wien als auch in anderen Zentren der Monarchie (z.B. die orthodoxe bischöfliche Residenz in Zara / Zadar, HR, 1875; die Lehrerbildungsanstalt in Wien 3, 1876).

1878 wurde Schmoranz von der Regierung zum Kommissar für die österreichische Kunstabteilung auf der Pariser Weltausstellung ernannt. Nach erfolgreicher Tätigkeit in Paris erfolgte seine Ernennung zum k.k. Baurat. In den folgenden Jahren war Schmoranz in Prag ansässig und widmete sich zunehmend dem theoretischen Bereich.

Ab 1885 leitete Schmoranz als erster Direktor die Prager Kunstgewerbeschule, deren Bau nach seinem und Machytkas Entwurf im Jahr 1882 begonnen und – nach der Erkrankung Machytkas 1884 - von ihm alleine 1885 fertiggestellt wurde.

Schmoranz war Korrespondent der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale. Er starb unerwartet im 47.Lebensjahr in Prag.
top
Stellenwert
Frantisek Schmoranz war einer der wenigen mitteleuropäischen Architekten, die vor der Jahrhundertwende den sog. maurischen Stil studierten und sich mit dieser Kunstrichtung intensiv beschäftigten. Im Allgemeinen galt das künstlerische Schaffen der islamischen Welt als etwas Seltsames und Bizarres. Erst gegen 1900 eröffnete die Wiener Schule der Kunstgeschichte neue Wege für die Wiederentdeckung der orientalischen, maurischen sowie der byzantinischen Kunst und Architektur (siehe etwa Riegl und Wickhoff). So spielte Schmoranz zweifellos die Rolle des Wegbereiters, die sich nicht nur durch sein architektonisches Wirken, sondern auch durch seine theoretische Tätigkeit entfaltete.

In seiner Architektur ließ Schmoranz sowohl seine persönlichen Erfahrungen und Studien der islamischen Architektur als auch den großen Einfluss seiner Prager Ausbildung (mit guter Beherrschung der Neo-Renaissance) einfließen. Seine architektonische Produktion, die von der langjährigen Zusammenarbeit mit Jan Machytka gekennzeichnet ist, verlief in den verschiedenen Etappen seiner Laufbahn sehr vielfältig, so ist sie am besten in chronologischer Reihenfolge zu betrachten.

Schmoranz und Machytka erlangten einen guten Ruf in Österreich-Ungarn mit der ägyptischen Baugruppe (u.a. von einem arabischen Wohn- und Bauernhaus, einem Kaffeehaus und einer Moschee mit Minarett gebildet) auf der Wiener Weltausstellung 1873, die beide Architekten im Auftrag des Khedive Ismail errichteten.

Nachdem sie 1872 in Wien ein Büro gründeten, arbeiteten Schmoranz und Machytka an verschiedenen Bauaufträgen. 1876 erbauten sie die Lehrerbildungsanstalt in Wien 3, Kundmanngasse 20. Das historistische Gebäude ist wegen seiner Lage auffällig, da es auf dem Parkareal des ehem. Palais Rasumofsky als Pendant zum Palais in den entsprechenden Stilformen errichtet wurde.

1879 wurde ein elegantes Mietpalais in Wien 4, Schwindgasse 10 / Gußhausstraße 9 von den beiden Architekten errichtet. Das streng historistische Wohngebäude ist im Großen und Ganzen ein typisches Produkt der Wiener Wohnhausarchitektur der Zeit und erhielt die damals üblichen Dekorelemente: die beiden unteren Geschosse sind quaderförmig genutet, in der Beletage befinden sich Ädikulafenster mit ionischen Halbsäulen. Beim Eingangsfoyer zeigt sich aber eine Spur der speziellen Ausbildung des Architektenduos, da eine Flachdecke mit islamischen Ornamenten zu sehen ist.

1879 führten Schmoranz und Machytka in Böhmen die Synagoge von Pardubitz aus, deren Pläne von Schmoranz’ Vater stammten. Die beiden Partner entwarfen die Bundeslade „Aron ha-Kodesch“ im orientalischen Stil.

1882 bis 1885 errichtete Schmoranz auf Basis eines mit Machytka verfassten Entwurfes das Gebäude für die neu gegründete Kunstgewerbeschule in Prag (deren erster Direktor Schmoranz werden sollte), die als einzige staatliche Kunstschule in Böhmen große Bedeutung erlangte. Die Architektur des in Neorenaissance-Formen entworfenen Bauwerks war äußerst monumental konzipiert.

1885 bekam Schmoranz den Auftrag für ein Bad in Trentschin-Teplitz (heute Trenčianske Teplice, SK), das er in Formen eines osmanischen Hammams bis 1888 realisierte; heute ist es das einzige erhaltene europäische Beispiel von Schmoranz’ architektonischem Œuvre im maurischen Stil.

Eine Episode aus dem Jahr 1882 erklärt die Bedeutung der von Schmoranz und Machytka selbständig unternommenen Studien. Für einen im ÖIAV organisierten Vortrag über Moscheenbau stellten die beiden Architekten anhand ihrer Bauaufnahmen „eine große Zahl“ von Plänen bei, die als einzigartige Bildquelle galten.
top
Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
Auswahl:
1879Mietpalais, Wien 4, Schwindgasse 10 / Gußhausstraße 9 (mit Machytka)
1884Jagdschloss v. Drasche, Kunetitzer Berg, Böhmen / Kuneticka Hora, CZ (zugeschrieben; nicht gesichert)

ÖFFENTLICHE BAUTEN:
Auswahl:
1869Palais des Khedive Ismail, Suez, Ägypten (nicht erhalten)
1873ägyptische Baugruppe für die Wiener Weltausstellung (mit Machytka; nicht erhalten)
1875orthod. bischöfl. Residenz in Zara, Dalmatien / Zadar, HR (mit Machytka)
1876Lehrerbildungsanstalt, Wien 3, Kundmanngasse 20 (mit Machytka)
1879Synagoge, Pardubitz, Böhmen / Pardubice, CZ (mit Machytka Ausführung; Projekt F. Schmranz sen.)
1882–1884Kunstgewerbeschule, Prag, Böhmen / Praha, CZ, namesti Jana Palacha 80 (Entwurf mit Machytka; heute Akademie für Kunst, Architektur und Design)
1885Bad (Kurhaus), Trentschin-Teplitz, Ungarn / Trencianske Teplice, SK

INNENRAUMGESTALTUNG/DESIGN:
1879Bundeslade der Synagoge, Pardubitz, Böhmen / Pardubice, CZ (mit Machytka)
1881–1883arabisches Zimmer, Museum für Kunst u. Industrie, Wien 1 (heute MAK; nicht ausgestellt bzw. nicht erhalten)

NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
1878Neubau der Türbe von Gül Baba, Ofen / Budapest, H (Projekt; mit J. Machytka)
1883Böhmisches Museum (Nationalmuseum) Prag / Praha, CZ (Wettbewerb, 2.Preis)
top
Primärquellen

PUBLIKATIONEN:
F. Schmoranz: Lehrmittel für das gewerbliche Unterrichtswesen des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht. Wien 1889

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
Wr.Ringstraßenarchiv; Archiv Adler
top
Sekundärquellen

LITERATUR:
F. Aichelburg: Das Wiener Künstlerhaus 1861–2001. Bd.1 Wien 2003
F.: Die Architektur auf der diesjährigen internationalen Kunst-Ausstellung zu München. In: Deutsche Bauzeitung 13.1879, S.473–474, 496–497, 505–506, 517–518, 527–528 (siehe S.505–506)
M. Paul: Technischer Führer durch Wien. Wien 1910
E. Springer: Geschichte und Kulturleben der Wiener Ringstraße, Die Wr.Ringstraße, Bd.2, Wiesbaden 1979
J. Stübben: Die baulichen Einrichtungen der Pariser Weltausstellung des Jahres 1878. In: Dt. Bauzeitung, 12. Jg., 1878, S.353–355, 378–381, 396–399, 408–411, 445–448, 455–457, 465–467, 477–479 (siehe S.466)
R. Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19.Jh. Wien 1970
ÖKT 44: G. Hajos: Die Profanbauten des III., IV. und V. Bezirks. Wien 1980
Nachruf (Neue Freie Presse, 13.01.1892, Abendblatt, S.1)
Nachruf (Deutsche Bauzeitung 26.1892, S.43)

HINWEISE AUF WERKE:
Der Bautechniker
2.1882, S.364 (Kunstakademie in Prag)

NACHSCHLAGEWERKE:
Dehio Wien/2 (II.–IX.u.XX.Bez.)

LEXIKA:
Wurzbach; ThB; ÖBL

INTERNETLINKS:
http://www.plzensympozium.cz/de/prispevek-resume/a618/ (Jindrich Vybiral: Franz Schmoranz und die Erfindung des Orientalismus); www.wikipedia.cz
top
Ausstellungen
1878Pariser Weltausstellung;
1879Kunst-Ausstellung München
top
Anmerkungen
Nachdem Franz Schmoranz sen. u. jun. von Wurzbach als eine Person betrachtet wurden, kommen heute noch Fehler bei der Zuschreibung der jeweiligen Werke (im heutigen Tschechien) vor
Eingegeben von: Diego Caltana
Eingegeben am: 01.10.2012
Zuletzt geändert: 15.12.2012
top
  A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | Z
 
© Architekturzentrum Wien
Mit freundlicher Unterstützung des FWF
Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung