A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | Z
Theodor Schreier

Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 08.12.1873 - † 21.05.1943
Geschlecht: m
Geburtsort: Wien
Land: Österreich
damaliger Name: Österreich-Ungarn
Sterbeort: KZ Terezin
damaliger Name: Theresienstadt
Land: Tschechien
damaliger Name: Protektorat Böhmen und Mähren
Religionsbekenntnis: Mosaisch
Berufsbezeichnung: Architekt
Familiäres Umfeld: Vater: Moritz S., Kaufmann (+1922)
Mutter: Regina, geb.Öhler (+1905)
Ehe mit: Anna Turnau (1878–1942)
Sohn: Otto (1901–1926), Mathematiker
Bürogemeinschaft: ca. 1897–1906 Zusammenarbeit mit Ernst Lindner
top
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
o.J.Oberrealschule Wien
1891–1897Technische Hochschule Wien (Abschluss mit Auszeichnung)
top
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
1898–1899Militärbauabteilung Krakau, Galizien / Krakow, PL
1899Militärbauabteilung Sarajewo, BH
ca.1900–1933selbständiger Architekt in Wien (bis ca. 1906 in Zusammenarbeit mit Ernst Lindner)
ab ca.1919Mitarbeiter und später Vorstand im technischen Büro der Österreichischen Creditanstalt
top
Mitgliedschaften
ab 1897Österr. Ingenieur- und Architektenverein (zeitweise Schriftführer)
top
Vita
Theodor Schreier wurde 1873 als Sohn eines jüdischen Kaufmannes in Wien geboren. Er absolvierte die Oberrealschule und studierte an der Technischen Hochschule, wo er unter anderen Karl König zum Lehrer hatte. Nachdem er sein Studium mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, leistete er seinen Militärdienst in den Bauabteilungen von Krakau und Sarajewo ab. Um 1900 ließ er sich in Wien als freier Architekt nieder und ging eine Arbeitsgemeinschaft mit seinem Studienkollegen Ernst Lindner ein.

Die beiden Partner konnten in der Folge zahlreiche Wohnbauten, aber auch große Projekte für die öffentliche Hand, wie Schulen, Synagogen, Amtsgebäude und anderes mehr in Wien und den Kronländern der Monarchie errichten, wobei die Konstellation insofern günstig war, als Lindner gute Kontakte nach Bielitz unterhielt, während Schreier in Wien gut vernetzt war. Darüber hinaus beteiligten sie sich auch an zahlreichen Wettbewerben, unter anderem für den Bau einer Synagoge in Triest. Schreier engagierte sich auch im Österreichischen Ingenieur- und Architektenverein, dessen Schriftführer er zeitweise war. Um 1906 ging die Arbeitsgemeinschaft mit Ernst Lindner auseinander und Schreier arbeitete alleine oder mit wechselnden Partnern. Auffallend ist die geringe Zahl von (nachgewiesenen) Projekten in den folgenden Jahren, wobei Schreier überwiegend für verschiedene Kultusgemeinden tätig war, wie bei der Projektierung der Talmudschule in Wien und der Synagoge von St.Pölten.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs diente Schreier neuerlich im Militärbaukommando. In der Zwischenkriegszeit gab er infolge der schlechten wirtschaftlichen Situation die freiberufliche Architektentätigkeit auf und nahm eine Anstellung im technischen Büro der Österreichischen Creditanstalt an. Ende der zwanziger Jahre überschattete eine familiäre Tragödie sein Leben, als sein einziger Sohn Otto (ein hochbegabter Mathematiker und am Sprung zu einer großen wissenschaftlichen Karriere) noch nicht dreißigjährig einem Herzleiden erlag. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 an NS-Deutschland verabsäumte es Schreier zu emigrieren. Möglicherweise reichten seine finanziellen Mittel nicht aus oder er unterlag dem Irrtum, dass sich die diskriminierende Judengesetzgebung nur auf die berufliche Tätigkeit erstrecken würde und er ja bereits in Pension war. Darüber hinaus könnte der Umstand, dass er ein Kriegsveteran war, ihn in verhängnisvoller Weise bewogen haben, sich in Sicherheit zu wähnen. Dessen ungeachtet wurde er mit seiner Frau 1942 in das KZ Theresienstadt / Terezin deportiert, wo er im Januar des nächsten Jahres im 70sten Lebensjahr umkam. Auch seine Frau und seine beiden Brüder fielen dem Holocaust zum Opfer.
top
Stellenwert
Theodor Schreier gehörte dem großen Kreis der Schüler Karl Königs an, die um die vergangene Jahrhundertwende in Wien tätig waren. Dementsprechend war sein Werk von einer eher der Tradition verpflichteten Haltung geprägt, die aber dennoch der Moderne gegenüber nicht unaufgeschlossen war.

Die frühesten Bauten, die in Zusammenarbeit mit Ernst Lindner in den Jahren 1900–1905 entstanden sind, zeigen weitgehend einen neobarocken Duktus (Korpskommandatur Hermannstadt, 1902/4) mit einzelnen Übernahmen secessionistischer Elemente, wobei die Fassade mittels architektonischer Elemente, wie Rustikasockel oder Halbsäulen, plastisch durchgeformt ist. 1904 konzipierten sie für den damals sehr prominenten Wettbewerb für eine Synagoge in Triest, an dem sich zahlreiche bedeutende Wiener Architekten beteiligten, einen monumentalen Zentralkuppelbau, der formal an die sogenannte Wagner-Schule angelehnt war. Obwohl sie ex aequo preisgekrönt wurden, erhielten sie nicht den Auftrag. Dessen ungeachtet war es ein bedeutender Prestigeerfolg für die Bürogemeinschaft.

Bei den wenigen Projekten, die Schreier nach der Trennung von Lindner realisieren konnte, kam es zu einer Zurücknahme all zu offener barocker Zitate und es macht sich eine klassizierende Beruhigung bemerkbar. Schreier blieb aber einer eher traditionsverpflichteten Grundhaltung treu, wie bei der eleganten Mietvilla (Wien 19, Linnéplatz 4), die 1910 erbaut wurde.

Das bedeutendste Projekt Schreiers ist jedoch die Synagoge in St.Pölten, einer der wenigen erhaltenen jüdischen Kultbauten in Österreich, die er 1913 in Arbeitsgemeinschaft mit Viktor Postelberg errichtete. Aus den Quellen geht allerdings hervor, dass Schreier federführend war. Grundsätzlich lehnte sich die Konzeption des Baus an den Wettbewerbsentwurf für die Synagoge in Triest an. Dies betraf insbesondere die Überlegung, einen Zentralkuppelbau zum Einsatz zubringen. Die formale Durchgestaltung des St.Pöltener Baus besteht in einer kühnen Synthese klassizierender Elemente mit neobarock angehauchten, secessionistischen Details.
top
Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
1901Wohnhaus Dr. Weinbrenner, Langenzersdorf, Klosterneuburger Straße 11, NÖ (mit Ernst Lindner)
1903Villa Wien-Heiligenstadt, Wien 19, Amalgergasse 4 (mit Lindner)
1904Miethaus, Bielitz-Biala, Österr.Schlesien / Bielsko-Bialej, ulica lenina 1a, PL (mit Lindner)
1905Miethaus, Bielitz-Biala / Bielsko-Bialej, ulica Smolki 7, PL (mit Lindner)
1907Zweifamilienhaus Dr. Lampa, Wien 14, Stinglgasse 11
1910Mietvilla, Wien 19, Linnéplatz 3
1912Mietvilla, Wien 13, Erzbischofgasse 57

ÖFFENTLICHE BAUTEN:
1899Choleranotspital, Krakau, Galizien / Krakow, PL (mit Ernst Lindner)
1901Grand Hotel, Brünn, Mähren / Brno, CZ (Umbau mit Lindner)
1901Synagoge Skotschau, Österr.Schlesien / Skoczow, PL (mit Lindner, nicht erhalten)
1902Synagoge Ustron, Österr.Schlesien / PL (mit Lindner)
1903Volks- u. Bürgerschule Skotschau / Skotschow, PL (mit Lindner)
1902-1904Korpskommandatur Hermannstadt, Siebenbürgen / Sibiu (jetzt Universität), RO (mit Lindner)
1904Amtshaus u. Schule der Kultursgemeinde, Bielitz-Biala / Bielska-Bialej, PL (mit Lindner)
1906-1907Talmudschule, Wien 2, Malzgasse 16 (mit Isidor Giesskann)
1912Synagoge, St.Pölten, NÖ (mit Viktor Postelberg)

NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
1897Quellentempel Gießhübel, Böhmen / Kyselka, CZ (Wettbewerbsentwurf, mit Ernst Lindner)
1898Sparkassa Laa a.d.Thaya, NÖ (Wettbewerbsentwurf, mit W. Neumann)
1898Versicherungsanstalt Brünn, Mähren / Brno, CZ (Wettbewerbsentwurf, mit Lindner)
1899Sparkassa Czernowitz, Bukowina / Cernovci, UA (Wettbewerbsentwurf, 4.Preis)
1902Realschule in Teplitz, Böhmen / Teplice, CZ (Wettbewerbsentwurf, mit Lindner)
1903Croatisch-slawonische Hypothekenbank Agram, Kroatien-Slavonien / Zagreb, HR (Wettbewerbsentwurf, ein Ankauf, mit Lindner)
1903Gemeindeamt in Jablunkau, Österr.Schlesien / Jablunkov, CZ (Wettbewerbentwurf, mit Lindner)
1904katholische Kirche Bielitz-Biala, Österr.Schlesien / Bjelsko-Bialej (Wettbewerbsentwurf, ein 2.Preis, mit Lindner)
1904Synagoge Triest / Trieste, I (Wettbewerbsentwurf, ein 2.Preis, mit Lindner)
1909Umbau des Reichskriegsministeriums Wien 1, Am Hof (Wettbewerbsentwurf, 3.Preis)
1909Rathaus Mährisch-Schönberg, Mähren / Sumperk, CZ (Wettbewerbsentwurf, mit V. Postelberg)
top
Primärquellen

PUBLIKATIONEN:
Th. Schreier: Warenhäuser. In: M. Paul: Technischer Führer durch Wien. Wien 1910, S.477ff

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
DÖW; IKG, TUWA, WrSTLA; Stadtarchiv St.Pölten
top
Sekundärquellen

LITERATUR:
E. Chojetzka: Architektura i urbanistyka Bielska-Bialej 1855–1939, Katowice 1987
E. Fuks: Der Synagogenwettbewerb von Triest: In: Oskar Strnad (Kat.). Wien 2007, S.39ff
P. Genee: Synagogen in Österreich. Wien 1992
K. Gutkas: NÖ Kulturbericht Mai 1984, S.11
K. M. Kisler: NÖ Kulturbericht September 1981, S.10f
W. Kitlitschka: Historismus und Jugendstil in N.Ö., St.Pölten 1984, S.74ff
W. Kitlitschka: Kult und Kultur des österreichischen Judentums (Kat.), St.Pölten 1984, S.14
M. Lackenberger: Die Geschichte d. Israelit. Kultusgemeinde St.Pölten 1867-1918. Dipl.Arb. Wien 1999, S.18ff
U. Prokop: Zur Geschichte d. Synagoge von St.Pölten u. ihrer Architekten V. Postelberg u. Th.Schreier. In: David, 21. 2009, Nr.80, S.46ff

HINWEISE AUF WERKE:
Der Bautechiker
20.1901, S.962 (Synagoge Ustron)
21.1902, S.545ff (Wohnhaus Weinbrenner, Langenzersdorf)
22.1902, S.745ff u.S.979f (Realschule Teplitz-Schönau)
23.1903,S.1f (Volksschule Skotschau); S.961ff (Hypothekenbank Agram); S.1045ff (Sparkassa Jablunkau)
25.1905, S.341f (Villa Wien-Heiligenstadt)
27.1907, S.53f (Wohn-Geschäftshaus in Bielitz)
29.1909, S.933f, T.49 (Zweifamilienhaus in Hadersdorf)
31.1911, S.657ff, T.28 (Rathaus Mährisch-Schönberg)
32.1912, S.287f, T.12 (Wohnhaus Wien 13, Erzbischofg. 57)
33.1913, S.757ff, T.33 (Mietvilla Wien 19, Linnepl. 3)

Wiener Baundustriezeitung
14.1897, Beil., S.35f, T.67f (Quelltempel Giesshübel)
15.1898, Beil., S.21f, T.47 (Sparkassa Laa a.d. Thaya)
18.1901, S.17ff (Versicherungsanstalt Brünn)
21.1904, S.391ff, T.100 (Korpskommandatur Hermannstadt)
22.1905 S.71f, T.19f (Synagoge Triest)
23.1906 S.99f, T.23 (Amts- u. Wohngebäude der israelit. Kultusgemeinde in Bielitz-Biala)
25.1908, S.75ff (zwei Wohnhäuser in Bielitz)

NACHSCHLAGEWERKE:
Dehio NÖ/Süd M–Z; Achl. III/3
S. Waetzoldt: Bibliographie zur Architektur im 19.Jh. Nendeln 1977

LEXIKA:
H.Weihsmann: In Wien erbaut, Wien 2005; ÖBL
top
Anmerkungen
Die Angaben zum Todesdatum sind divergierend, während bei Weihsman und im Österr. biograph. Lexikon der 21.5.1943 angeben wird, ist es nach DÖW der 22.1.1943
Objekt Wien 14, Stinglgasse 11 bei Achleitner III/2 fälschlich M. Bohdal zugeschrieben
Eingegeben von: Ursula Prokop
Eingegeben am: 01.03.2011
Zuletzt geändert: 15.05.2014
top
  A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | Z
 
© Architekturzentrum Wien
Mit freundlicher Unterstützung des FWF
Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung