A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | Z
Karl Jaray

Portraitbild
Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Persönliche Mitteilungen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 14.03.1878 - † 29.11.1947
Geschlecht: m
Geburtsort: Wien
Land: Österreich
damaliger Name: Österreich-Ungarn
Sterbeort: Buenos Aires
Land: Argentinien
Titel: Dr.tech., Prof.
weitere Namen: Járay
Religionsbekenntnis: Mosaisch, später (wahrscheinlich vor seiner Hochzeit) zum röm.kath. Glauben konvertiert
Berufsbezeichnung: Architekt
Familiäres Umfeld: Vater: Adolf J. (*1846), Presshefeerzeuger und Weinhändler
Mutter: Therese, geb. Schönberg
1.Ehe (1905) mit: Margarete Hirsch (1875-1942)
Kinder: Mariedl (1907-1948) verh. Stein; Rudolf (1909-2001); Karl (1919-1941)
2.Ehe mit: unbekannt
top
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
o.J.Realschule
1895-1901Technische Hochschule Wien (Bauschule bei Karl Mayreder und Karl König, Abschluss mit 2.Staatsprüfung)
1902Deutsche Technische Hochschule Prag, Böhmen / Praha, CZ ( Promotion zum Dr.tech., mit Auszeichnung)
1904Habilitation an der Deutschen Technischen Hochschule in Prag
top
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
1901Bauassistent bei den k.k. Staatsbahnen in Villach, Ktn.
1901-1904Assistent an der deutschen Technischen Hochschule Prag, Böhmen / Praha, CZ
1904-1908Dozent an der deutschen Technischen Hochschule Prag
1908a.o. Prof. (Titel)
1903-1912Redakteur des Periodikums „Technische Blätter. Zeitschrift d. deutschen polytechnischen Vereins in Böhmen“ (1909-1912 Chefredaktion)
1913-1918a.o. Prof. für Bauökonomie, Heizung und Lüftung an der deutschen TH Prag
1918-1925o. Prof. an der Deutschen TH Prag (Enzyklopädie des Hochbaus)
ab 1925freiberuflicher Architekt in Wien
1938nach Prag emigriert
1939-1943in London, GB, lebend
1943-1947als Architekt in Buenos Aires, RA, tätig
top
Auszeichnungen und Ämter
o.J.Sachverständiger für Hochbaufragen
1910Ritterkreuz des Franz-Josefs-Ordens
top
Mitgliedschaften
ab 1902Deutscher polytechnischer Verein in Böhmen
ab 1907Wiener Bauhütte
top
Vita
Karl Jaray stammte aus der alten jüdischen Familie Jeitteles, deren Ursprünge bis ins Mittelalter zurückreichen. Erst im 19.Jh. hatte die Familie, die damals in Temesvar lebte, den Namen in Jaray magyarisieren lassen. Adolf J., der Vater von Karl, war 1877 nach Wien gezogen und folgte damit seinen beiden Brüdern Sandor und Sigmund, die sich schon einige Jahre zuvor in der Reichshauptstadt niedergelassen und eine sehr erfolgreiche Firma für Innendekoration gegründet hatten, die unter anderem auch für den kaiserlichen Hof arbeitete. Adolf, der sich nicht an dieser Firma beteiligte, war unternehmerisch als Pressheferzeuger und Weinhändler tätig.

Karl, das zweite von fünf Kindern Adolfs, wurde bereits in Wien geboren. Er studierte nach dem Abschluss der Realschule an der Technischen Hochschule, unter anderen bei Karl König und Karl Mayreder. Nach der Ablegung der 2. Staatsprüfung trat er eine Stelle als Bauassistent bei der Staatsbahn in Villach an, die er jedoch bald zugunsten eines Lehrauftrags an der Deutschen Technischen Hochschule in Prag aufgab. Karl Jaray, der anfangs als Assistent arbeitete, schrieb in Prag seine Dissertation und konnte sich aufgrund seiner außerordentlichen Fähigkeiten bereits zwei Jahre später habilitieren.

Als Dozent befasste er sich insbesondere mit dem Fachgebiet des Eisenbetonhochbaus und war auch einige Zeit in der Chefredaktion der Zeitschrift „Technische Blätter“ tätig. In diesen Jahren heiratete Jaray Margit Hirsch, eine Wienerin jüdischer Herkunft, allerdings traten beide anlässlich der Eheschließung zum katholischen Glauben über. Kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs erhielt er einen Lehrstuhl für die Enzyklopädie des Hochbaus an der Technischen Hochschule in Prag. In diesen Jahren realisierte er mehrere Bankgebäude, Sanatorien, Fabriksbauten und Miethäuser in Prag und Böhmen. Mitte der 20er Jahre ließ er sich auf eigenen Wunsch pensionieren und kehrte nach Wien zurück. Hier lebte er als freier Architekt und war unter anderem mit der Errichtung mehrerer Villen und Industrieanlagen befasst, arbeitete aber auch weiterhin an einigen bedeutenden Bauvorhaben in der Tschechoslowakei.

Karl Jaray, der in Wien dem Freundeskreis um Karl Kraus und Adolf Loos angehörte, beschäftigte sich aber auch intensiv mit Literatur und war insbesondere ein glühender Bewunderer von Kraus, mit dem er einen intensiven Schriftverkehr führte und für den er als Vermittler und Propagandist agierte. Von Bedeutung war auch seine Freundschaft mit dem Papierfabrikanten Hugo Bunzl, für den er einige Bauten, sowohl in Wien als auch in Ortmann bei Pernitz, NÖ, ausführte. Gemeinsam finanzierten sie schließlich 1930 den Rückkauf des Brenner-Verlags an Ludwig Ficker, da dieser die Schriften von Adolf Loos herausgeben sollte. Jaray, der daran arbeitete, ein Register der „Fackel“ herauszugeben, war auch maßgeblich an der Gestaltung des 60. Geburtstages von Karl Kraus beteiligt und wurde schließlich von diesem als einer seiner Nachlassverwalter bestimmt. Als nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland Jarays Villa in Wien 19, Langackergasse 22 von der Gestapo beschlagnahmt wurde, gelangten daher zahlreiche Materialien und Unterlagen von Karl Kraus in deren Hände.

Jaray selbst konnte rechtzeitig fliehen, lebte kurzfristig wieder in Prag, um nach der Besetzung der Tschechoslowakei nach London zu emigrieren. Hier verstarb auch seine Frau, mit der er drei Kinder hatte. Noch während des Zweiten Weltkriegs verließ Jaray London und ging nach Argentinien, wo er ein zweites Mal heiratete und einige Industriebauten errichtete. Jaray ist in Buenos Aires nach einer langwierigen Infektionskrankheit im 69. Lebensjahr gestorben.
top
Stellenwert
Karl Jaray, dessen Wirken sich weitgehend auf die Zwischenkriegszeit beschränkt, nimmt aufgrund seiner Tätigkeit in Wien und Prag eine bemerkenswerte Mittlerstellung zwischen der österreichischen und der tschechischen Architektur ein. Als Schüler Karl Königs noch in der späthistoristischen Tradition ausgebildet, zeigte er - wie die meisten Absolventen der Wiener Technischen Hochschule - eine große Aufgeschlossenheit neuesten Technologien gegenüber. Sowohl aufgrund seiner wissenschaftlichen Tätigkeit als auch seiner praktischen Erfahrung auf dem Gebiet des Eisenbetonbaus galt er als einer der führenden Spezialisten dieser Technologie und errichtete zahlreiche Industrieanlagen und Bankgebäude. Insbesondere seitens der „Escompte-Bank“ erhielt er innerhalb von rund zehn Jahren eine Reihe von Aufträgen für Bankprojekte auf dem Gebiet der damaligen Tschechoslowakei.

Bemerkenswerterweise zeigen diese Bauten in formaler Hinsicht sowohl Jarays Wurzeln in der frühen Wiener Moderne als auch Einflüsse zeitgenössischer tschechischer Architekten (u.a. Josef Gocár). Dies manifestiert sich in der Neigung zur stark plastisch durchgeformten Fassaden mittels akzentuierter Baywindows und einer durch Lukarne betonten Dachlandschaft (Umbau Escompte Bank, Praha 1924). In den folgenden Jahren wird eine Hinwendung zu einem reduzierten Klassizismus erkennbar (Escompte Bank, Praha, Na Prikope, 1932). Eine Orientierung an der zeitgenössischen Moderne im Sinne der „Neuen Sachlichkeit“ erfolgte hingegen nur zögerlich. Selbst bei reinen Zweckbauten wie Fabriksanlagen (Papierfabrik Bunzl & Biach, Wien 2, Engerthstraße, 1928–30), die generell einem eher nüchternen Funktionalismus verpflichtet waren, kamen an der Fassade betonte Gesimse und gliedernde Elemente zum Einsatz.

Diese Haltung des Architekten wird auch bei privaten Bauaufgaben fühlbar, die eine große Eigenständigkeit, abseits aller zeitgenössischer Tendenzen zeigen. Sowohl das Mitte der 20er Jahre errichtete eigene Wohnhaus (Wien 19, Langackergasse 22), als auch die einige Jahre später für eine Tante errichtete Villa (Wien 19, Grinzinger Straße 39) zeigen idente Charakteristika. Auffallend sind die zum Großteil mit Holz verkleideten Fassaden und die höchst eigenwilligen kurvilinearen, hochgezogenen Dächer. Insbesondere die Villa Jaray strahlt durch den Einsatz eines Fußwalmdaches einen nostalgischen Charme aus. Darüber hinaus ist dieses Haus, als einer der Treffpunkte des intellektuellen Freundeskreises Jarays und als Aufbewahrungsort des Nachlasses von Karl Kraus, auch in kulturgeschichtlicher Hinsicht von Bedeutung.
top
Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
1913Haus Gisela Hirsch, Wien-Grinzing
1921Villa Eugen Porak, Loucovice 86, CZ
1924Miethaus, Praha-Holesovice, CZ, Ortenove namesti 29
vor 1925Wohnhaus Jaray, Praha-Smichov, CZ, Havlicekgasse 12 (?)
1925Villa Jaray, Wien 19, Langackergasse 22
1929Landhaus Bunzl, sog. „Herrenhaus“, Wien 19, Himmelstraße 51 (Anbau und Umbau)
1929Villa, Wien 19, Grinzinger Straße 39
o.J.Landhaus Spital a. Pyhrn, OÖ

ÖFFENTLICHE BAUTEN:
1907Vergrößerung der ländlichen Kolonie für Leichtlungenkranke in Wran, Böhmen / Vrana nad Vltavou, CZ
1908Mädchenjugendfürsorgeheim in Ober-Leutensdorf, Böhmen / Horni Litvinov, CZ
1908Heilstätte für lungenkranke Kinder in Zwickau, Böhmen / Cvikov, CZ
1913Vergrößerung der Fürsorgehäuser in Osseg, Böhmen / Osek, CZ
1921-1922Escompte Bank, Mährisch-Ostrau / Ostrava, CZ, Smetano Namesti 1
1922Escompte Bank, Mährisch-Schönberg / Sumperk, CZ, Hlavni trida 25
1924Umbau und Interieur der Escompte Bank, Prag / Praha, CZ (ursprünglich von Emil v. Förster)
1925-1926Escompte Bank, Iglau / Jihlava, CZ, Palaczkeho 35
1927Volksheim, Neusiedl bei Pernitz, NÖ, Stadionstraße 18 (für die Firma Bunzl)
1932Escompte Bank, Prag / Praha, CZ, Na Prikope 33-35 (1.Preis, mit Karl Sakar und Gotthilf & Neumann)

INDUSTRIE-/GEWERBEBAUTEN:
1928-1930Papierfabrik Bunzl & Biach, Wien 2, Engerthstraße 161-163

INNENRAUMGESTALTUNG/DESIGN:
1934-1935Umbau und Einrichtung der Wohnung von Karl Kraus
top
Primärquellen

PUBLIKATIONEN:
K. Jaray: Zu Fragen der einfachen, direkten und ökonomischen Dimensionierung von Betonkonstruktionen. Prag 1906
K. Jaray: Theorie und Aufgaben des Betoneisenbaus. Prag 1907
K. Jaray / L. Krombholz: Leitfaden des Hochbaus unter Berücksichtigung der Bauschäden. Halle a.d. Saale 1908
K. Jaray: Zur Miethausfrage. In: Technische Blätter 44.1912, S.63ff
K. Jaray: Österreichisches Komitee gegen den drohenden Krieg. Wien 1932
K. Jaray / H. Fischer: Abschiedsworte am Grabe 15. Juni 1936. Wien 1936 (Nachruf auf Karl Kraus)
diverse Rezensionen über Fachpublikationen: In: Technische Blätter 1904-1912

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
TUWA; Brenner- Archiv/ Innsbruck; Robert Musil Institut/Kärntner Literaturarchiv; WStLA (Handschriftensammlung, Karl Kraus Nachl.)
top
Sekundärquellen

LITERATUR:
A. Birk (Hg.): Die Deutsche Technische Hochschule in Prag. Prag 1931
Bohemia 25.5.1918 (Ernennung zum o.Prof.)
E. Erbanova u. a (Hg.): Slavne Vily, Jihoceskeho kraje. Praha 2007
Z. Lukes: Begleichung der Schuld (Ausst.Kat.). Praha 2002
I. Meder: Offene Welten, Die Wiener Schule im Einfamilienhausbau 1910-1938. Diss. Stuttgart 2003
B. Rukschcio / R. Schachel: Adolf Loos. Wien-Salzburg 1982
F. Stark (Hg.): Die k.k. Deutsche technische Hochschule in Prag 1806-1906. Prag 1906
R. Svacha: Od moderny k funkcionalismu. Praha 1993
Ch. Wagenknecht: Karl Jaray. Rundschreiben 1928-1934. In: Kraus-Hefte 52, Oktober 1989

HINWEISE AUF WERKE:
Bautechniker
27.1907, Nr.43, S.862 ( Vergrößerung der ländlichen Kolonie für Leichtlungenkranke in Wran)
28.1908, Nr.1, S.8 (Heilstätte für lungenkranke Kinder in Zwickau) / Nr.32 (Entwurf für ein Jugendfürsorgeheim in Oberleutensdorf)
33.1912, S.156 (Fürsorgehäuser in Osseg)

NACHSCHLAGEWERKE:
Achl. III/1
Dehio Wien/2 (II.–IX.u.XX.Bez.); Dehio Wien/3 (X.–XIX.u.XXI.–XXIII.Bez.); Dehio/NÖ-Süd
Dresslers Kunsthandbuch. Berlin 1930

LEXIKA:
Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. 1.Bd. München/Wien 1976

INTERNETLINKS:
www.jarayfamily.net; www.karl-kraus.net
top
Persönliche Mitteilungen
freundliche Auskunft Mag. Hirschmann/ Kärntner Literaturarchiv, April 2006
top
Anmerkungen
Karl Jaray wird in der Literatur (u.a. Weihsmann 2005 u. I. Meder 2003) zumeist mit seinem gleichnamigen, etwas älteren Cousin Karl Hans J. (1874-1944), dem Sohn von Sandor J. verwechselt, der weitgehend als Innenarchitekt tätig war.
Eingegeben von: Ursula Prokop
Eingegeben am: 01.10.2006
Zuletzt geändert: 18.08.2008
top
  A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | Z
 
© Architekturzentrum Wien
Mit freundlicher Unterstützung des FWF
Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung