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Josef Unger

Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 08.05.1846 - † 22.12.1922
Geschlecht: m
Geburtsort: Komorovice bei Bielsko-Biala
damaliger Name: Kunarowitzl /Galizien
Land: Polen
damaliger Name: Kaisertum Österreich
Sterbeort: Wien
Land: Österreich
Religionsbekenntnis: Mosaisch
Berufsbezeichnung: Architekt
Familiäres Umfeld: Vater: Israel U. (1813-1873), Kaufmann
Mutter: Johanna, geb. Hein (1819-1906)
Geschwister: Karoline, Marco, Leopold (Oberstaatsbahnrat)
Ehe mit Klara Hirschel (1856-1926)
Tochter: Anna (*1895)
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Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
o.J.Oberrealschule Brünn, Mähren / Brno CZ
1864-1868Technische Hochschule Wien (Bauschule Heinrich Ferstel)
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Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
1869-1904als Inspektor bei der Nordwestbahn angestellt, daneben auch als freiberuflicher Architekt tätig
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Mitgliedschaften
1873-1916Österr. Ingenieur- und Architektenverein
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Vita
Josef Unger wurde 1846 als Sohn eines jüdischen Kaufmannes in Galizien (heute polnisches Gebiet) geboren. Die Familie dürfte nach einer Zwischenstation in Mähren um 1860 nach Wien gekommen sein, da Unger die Oberrealschule noch in Brünn absolvierte. Sowohl Josef als auch seine beiden Brüder erhielten eine gute Ausbildung, obwohl die Verhältnisse eher bescheiden waren. Wie die meisten der weniger begüterten Juden wohnte man in der Leopoldstadt und als er Mitte der 60er Jahre sein Studium begann, war er vom Schulgeld befreit. Am Polytechnikum (Vorläuferinstitution der Technischen Hochschule) hatte Unger, der zu den ersten jüdischen Studenten überhaupt gehörte, unter anderen Heinrich von Ferstel zu seinem Lehrer.

Nachdem er sein Praktikum absolviert hatte, erhielt Josef Unger, wie auch sein jüngerer Bruder Leopold, eine Anstellung in der Hochbauabteilung der Nordwestbahn. In dieser Funktion war er, neben der Planung von Hochbauten für den unmittelbaren Bahnbetrieb, insbesondere auch mit dem Bau von Wohnhausanlagen für die Bahnangestellten befasst. Unger, der zu diesem Zweck zahlreiche Studienreisen unternommen hatte, war auch umfassend publizistisch tätig. Neben seiner Tätigkeit für die Bahn, unterhielt Unger auch ein eigenes Atelier, das überwiegend mit Wohnbauten befasst war.

Unger, der nach 35 Dienstjahren bei der Nordwestbahn hoch angesehen in Pension gegangen war, arbeitete noch einige Zeit als freier Architekt weiter. Er verstarb im 76. Lebensjahr in Wien und hinterließ eine Frau und eine Tochter.
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Stellenwert
Über Josef Ungers Bautätigkeit für die Nordwestbahn ist nur sehr wenig bekannt. Zweifellos war er für einen nicht unerheblichen Teil der Bahnhofsbauten dieser Linie verantwortlich. Interesse verdient Unger vor allem in Hinblick auf seine Beschäftigung mit dem sozialen Wohnbau. Da es im Zuge der Errichtung neuer Bahnstrecken oft notwendig war, für die erforderlichen Arbeitskräfte neuen Wohnraum zu schaffen, befasste sich Unger sehr intensiv mit dieser Thematik und unternahm zu diesem Zweck mehrere Studienreisen ins Ausland, insbesondere nach Westeuropa, um sich mit dem Arbeiterwohnbau und dem Einfamilienhaus zu beschäftigen. Unger, der seine Erfahrungen auch in zahlreichen Fachartikeln publizierte, wurde in der Folge zu einem der anerkanntesten Experten auf diesem Gebiet, das im ausgehenden 19. Jh. noch relativ wenig Beachtung gefunden hatte. Josef Ungers hohes Prestige verdeutlicht auch der Ankauf seiner Studie über dänische und deutsche Arbeitersiedlungen für die kaiserliche Fideikommissbibliothek.

Als sich 1886 der unter der Leitung von Dr. Maximilian Steiner sozial engagierte „Verein für Arbeiterhäuser“ konstituierte, wurde Unger mit der Planung einer Mustersiedlung beauftragt. In den nächsten Jahren entstand auf den damals billigen Gründen in Wien-Favoriten eine kleine Gruppe von Arbeiterwohnhäusern (Wien 10, Kiesewettergasse 3-15), die bis heute das älteste Beispiel sozialen Wohnbaus in Wien darstellen. Unger konzipierte nach englischem Vorbild Reihenhäuser mit kleinen Vorgärten oder Höfen. Die formal sehr eng an die Bahnarchitektur angelehnten Häuser verfügten bereits über direkten Wasseranschluss in Küche und WC (das im Haus situiert war und nicht wie bis dahin üblich außerhalb lag). Die relativ große Anzahl an Räumen (1 Wohnstube und 2 bis 3 Schlafräume) sollte den Bewohnern Zuverdienstmöglichkeiten durch die Betreibung eines Gewerbes oder der Untervermietung bieten. Mittels jährlicher Zahlungen sollte innerhalb von 25 Jahren das Haus ins Eigentum übergehen. Von dem ursprünglichen Projekt kam allerdings nur die Hälfte der Häuser zur Realisation. Generell erwies sich dieses Modell für den urbanen Raum als nicht geeignet. Mitte der 90er Jahre löste sich daher der Verein auf und übergab sein Vermögen der „Stiftung für Volkswohnungen“. Als diese Stiftung anlässlich des Kaiserjubiläums von 1898 ein großes Volkswohnprojekt in Wien-Ottakring ausschrieb, beteiligte sich daher auch Unger an dem Bewerb. Er ging bei seinem Entwurf von mehreren Häusern in Geschossbauweise aus, die um einen gemeinsamen zentralen Innenhof angelegt waren, von wo aus auch die jeweiligen Treppenhäuser zugänglich waren. Im Gegensatz zum alten Favoritner Projekt waren auch Gemeinschaftseinrichtungen wie Waschküchen und Baderäume vorgesehen. Dieses Konzept nahm bereits Kriterien des sozialen Wohnungsbaus der Zwischenkriegszeit vorweg. Der Architekt konnte allerdings aufgrund von Zeitmangel seinen Konkurrenzentwurf nicht genauer ausführen, so dass er nur den 2. Preis und daher auch nicht den Auftrag erhielt.

Kurze Zeit später griff Unger jedoch auf diesen Entwurf zurück, als er für die Landarbeiter des Chorherrenstifts in Klosterneuburg das so genannte „Jubiläums-Arbeiterwohnhaus“ (Klosterneuburg, NÖ, Wienerstraße 68) errichtete. Auch der gleichfalls für die Augustinerchorherren einige Jahre später errichtete „Kreindlhof“ (Klosterneuburg, Albrechtstraße 105) orientierte sich weitgehend an diesem Schema. Es entbehrt nicht einer gewisssen Symbolik, dass auf der Bautafel zwar der Bauführer und der ausführende Baumeister angegeben sind, aber nicht der heute vergessene Josef Unger.
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Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
1886-1887Arbeiterwohnhäuser, Wien 10, Kiesewettergasse 3-15
1891Villa Otto Gebauer, Wien 18, Hasenauerstraße 4 (ehemals Parkstraße)
um 1896Wohnhaus in Baden, NÖ
1898Jubiläums-Arbeiterwohnhaus des Stiftes Klosterneuburg, NÖ, Wienerstraße 68
1910Arbeiterwohnhaus „Kreindlhof“, Klosterneuburg, NÖ, Albrechtstraße 105 (Bauleitung Wurts, Ausführung J. Brenner)

ÖFFENTLICHE BAUTEN:
1904diverse Aufnahmegebäude für Lokalbahnen

NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
1876Schule in Teschen, Ö-Schlesien / Tesin, CZ (Wettbewerb)
1884Ländliches Wohnhaus für zwei Familien (Projekt)
1887Einfamilienhaus für die Cottageanlage in Wien-Währing (Wettbewerb, 2.Preis)
1898Volkswohnungen der Kaiser Jubiläumsstiftung (Wettbewerb, ein Ankauf; mit Ing. Meixner)
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Primärquellen

PUBLIKATIONEN:
J. Unger: Das Dach – ein Reservoir. In Wochenschrift d. Österr. Ing. u. Architektenvereines 9.1884, S.75f
J. Unger: Ländliches Wohnhaus für 2 Familien. In: Wochenschr. d. Österr. Ing. u. Architektenvereins 9.1884, S.211f
J. Unger: Freistehende Arbeiterwohnhäuser auf dem Land. In: Wochenschrift d. Österr. Ing. u. Architektenvereines 10.1885, S.265ff
J. Unger: Die Arbeiterwohnhäuser in Wien Favoriten. In: Wochenschrift d. Österr. Ing. u. Architektenvereines 11.1886, S.329ff
J. Unger: Konk. Entw. Cottage-Anlage. In: Wochenschrift d. Österr. Ing. u. Architektenvereines 12.1887, S.279ff
J. Unger: Wohnhaus für 12 Arbeiterfamilien. In: Wochenschrift d. Österr. Ing. u. Architektenvereines 13.1888, S.359ff
J. Unger: Das freistehende Familienhaus in England. In: Wochenschrift des Österr. Ing. u. Architektenvereines 14.1889, S.146ff
J. Unger: Der Arbeiterbauverein in Copenhagen u. die Spar- u. Bauvereine in Deutschland. In: ZÖIAV 47.1895, S.545f u. S.556ff
J. Unger: Arbeiterfamilienhäuser Wien 10, Puchsbaumgasse. In: ZÖIAV 49.1897, S.109ff
J. Unger: Entwurf für Volkswohnungen u. Wohlfahrtseinrichtungen. In: ZÖIAV 50.1898, S.95
J. Unger: Das Jubiläums-Arbeiterwohnhaus des Chorherrenstiftes Klosterneuburg. In: ZÖIAV 51.1899, S.545f
J. Unger: Die neuen Personenbahnhöfe in Dresden. In: ZÖIAV 54.1902, S.825fff
J. Unger: Der Kreindlhof in Klosterneuburg (Miethäuser für Arbeiter). In: ZÖIAV 59.1907, S.501f

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
TUWA; WStLA; MA 43; Archiv Adler; IKG
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Sekundärquellen

LITERATUR:
H. Brunnbauer: Im Cottage von Währing - Döbling, Gösing 2003

HINWEISE AUF WERKE:
Wochenschr. d. Österr. Ing. u. Architektenvereins
16.1891, S.287f (Villa Otto Gebauer, 18, Parkstr. 4)

ZÖIAV
48.1896, S.411 (Wohnhaus in Baden)
57.1905, T.21 (Aufnahmsgebäude für Lokalbahnen)

NACHSCHLAGEWERKE:
Achl. III/1
Dehio Wien/3 (X.–XIX.u.XXI.–XXIII.Bez.)
S. Waetzoldt: Bibliographie zur Architektur im 19.Jh. Nendeln 1977
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Anmerkungen
Eingegeben von: Ursula Prokop
Eingegeben am: 01.10.2006
Zuletzt geändert: 09.04.2008
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