A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | Z
Peter Hubert Desvignes

Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 29.04.1804 - † 27.12.1883
Geschlecht: m
Geburtsort: Istanbul
damaliger Name: Konstantinopel
Land: Türkei
damaliger Name: Osmanisches Reich
Sterbeort: Lewisham
damaliger Name: Hither Green, Kent
Land: Großbritannien
damaliger Name: Großbritannien
weitere Namen: fälschlich: Devigny; Devignes
Religionsbekenntnis: Anglikanisch
Berufsbezeichnung: Architekt
Familiäres Umfeld: Vater: Elize Hubert D.; (ca.1774–1844), Diamantenhändler
Mutter: Augustina, geb. Desphinou (ca.1789–1825)
Ehe (1839) mit Mary Frances, geb. Champ (*ca.1812–1850)
Kinder: Peter Hubert (*1836); George Lewis (1840–1843); George Christopher (ca.1843–1844); Frederick Charles (1844–1876); Caroline Frances; Selina Paulina (*1848)
top
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
1823Royal Academy (bei William Atkinson)
top
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
1837–1849Tätigkeit für Fürst Alois Josef II. von und zu Liechtenstein in Wien und Eisgrub, Mähren / Lednice, CZ
top
Auszeichnungen und Ämter
1823„Silver Isis Medal“ (von „The Royal Society for the Encouragement of Arts, Manufactures & Commerce“ für eine Zeichnung eines korinthischen Kapitells)
1823„Silver Palette“ für die Zeichnung nach einer Büste
top
Vita
Peter Hubert Desvignes wurde 1804 in Konstantinopel, heute Istanbul, Türkei, als Sohn eines Diamantenhändlers geboren. Ab 1806 war die Familie in London ansässig. Im Jahr 1823 begann der junge Desvignes in der Royal Academy bei dem renommierten Architekten William Atkinson ein Architekturstudium. Der Antrag auf Einbürgerung der Familie wurde vom Oberhaus 1831 genehmigt.

Über eine Tätigkeit des Architekten nach seinem Studium ist kaum etwas bekannt. Er berichtet lediglich über den Bau von Stallungen für einen Kaufmann in Liverpool und der Beteiligung an einem Wettbewerb für die britischen Parlamentshäuser. Außerdem wird er anlässlich der Geburt des Sohnes George Lewis (1840) im Taufregister der Luther-Kirche in Wien als „frstl. Esterhazy’scher Architekt“ angegeben. Über eine Tätigkeit in dieser Eigenschaft ist jedoch nichts bekannt.

Um 1836 hielt sich Fürst Alois Josef II von Liechtenstein im Rahmen einer diplomatischen Mission in London auf. In der englischen Metropole sah er als neueste Tendenzen den Rückgriff auf die Stile Louis-quartorze und Louis-quinze, und von der Pracht und den Reichtum der Ausgestaltungen beeindruckt, beauftragte er den Architekten Desvignes, sein Stadtpalais in Wien 1, Bankgasse 9 / Minoritenplatz 4 umzubauen und eine, den Häusern der britischen Hocharistokratie gleichwertige Ausstattung zu entwerfen. Desvignes war zwölf Jahre mit diesem Projekt beschäftigt, das ihn immer wieder große Überzeugungsarbeit kostete. Da nämlich – wie er meinte – in Wien die Handwerksarbeit weit weniger technisch entwickelt und weit weniger gediegen war, musste er immer wieder den Fürst von der Notwendigkeit der hohen Kosten, die eine hochwertige Ausstattung bedingten, überzeugen. Schließlich gelang es dem Architekten, das für die erste Hälfte des 19.Jahrhunderts teuerste und luxuriöseste Inneneinrichtungsprojekt Wiens zu verwirklichen. (Witt-Dörring, 1995)

Desvignes arbeitete vorzugsweise mit lokalen Handwerkern zusammen, wobei an der Spitze der Möbel- und Parkettenfabrikant Carl Leistler stand. Allen neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen, zeigte er auch Interesse für das neueste Holz-Biege-Verfahren, an dem der Rheinländer Michael Thonet seit den 1835er Jahren experimentierte. Vom Staatskanzler Metternich 1842 nach Wien geholt, lernte ihn Desvignes kennen und er vermittelte ihm die Möglichkeit, im Rahmen der Fa.Leistler für das Liechtensteinpalais selbständig sein Bugholzverfahren bei Sesseln und dem aufwändigen Muster der Parkettböden zu realisieren.

Während das Palais in Arbeit war, errichtete Desvignes das Palmenhaus in Schloss Eisgrub, das sich ebenfalls im Besitz der Familie Liechtenstein befand.

Nach Beendigung seiner Tätigkeit für Fürst Liechtenstein kehrte Desvignes nach England zurück, konnte aber nach so langer Abwesenheit beruflich nicht mehr Fuß fassen. In den Jahren bis zu seinem Tod – er starb 1883 im Alter von 79 Jahren – sind jedenfalls keine weiteren Werke, aber auch keine Nachricht über weitere Tätigkeiten von Peter Hubert Desvignes dokumentiert. Bemerkenswert ist, dass sich in seinem Nachlass trotzdem ein beträchtliches Vermögen befand.
top
Stellenwert
Peter Hubert Desvignes’ wichtigste und im Prinzip einzige Aufgabe als Architekt waren die Umbauarbeiten am Palais Liechtenstein in Wien. Da diese vor allem einer Neuschaffung repräsentativer Räume dienten, erbaute er zur Erweiterung auf der ehemaligen Löwelbastei einen Zubau, der mit einem Schwibbogen mit dem Hauptgebäude verbunden war (im Zuge der Schleifung der Stadtmauern abgerissen). Desvignes verlegte die repräsentativen Festräume vom ersten in den helleren 2.Stock, wo auch die Privaträume des Fürsten untergebracht wurden. Insgesamt wurde die Raumanordnung neu angelegt und beim wichtigsten Repräsentationsraum, dem Ballsaal, wurde die Decke bis in den Dachboden erhöht und hofseitig um eine Achse erweitert.

Desvigens war sehr an den neuesten technischen Errungenschaften interessiert und setzte diese auch beim Umbau ein: So konnte der Ballsaal mit Spiegeln, die hochzuziehen oder seitlich verschiebbar waren, vergrößert werden. Er ließ eine über vier Stockwerke reichende Aufzugsanlage einbauen, eine hausinterne Sprechanlage, eine Dampfheißluftanlage sowie Gaslicht für den Küchen- und Stallbereich installieren.

Die Ausstattung der Repräsentationsräume war in Weiß und Gold gehalten und mit einem üppigen Formenreichtum im Stile des „Zweiten Rokoko“ instrumentiert. D.h. so wie in England modern geworden ist, griff auch Desvignes auf den Formenschatz des Louis-quartorze zurück, wobei er durchaus auch eigene Ideen und Modifikationen einbrachte. Die Wände waren zum Teil weiß lackiert getäfelt, zum Teil mit Seidentapeten tapeziert, deren Muster sich auf den Sitzmöbeln wiederfanden.

Die privaten Räume wurden ebenfalls im stilistischen Formenvokabular des „Zweiten Rokoko“ ausgestattet. Allerdings herrschte nicht die Farben Weiß/Gold vor, sondern Desvignes entschied sich für Möbel aus Mahagoniholz, das damals eine äußerst kostspielige Holzart war. Üppige Schnitzereien verliehen auch diesem Mobiliar eine außergewöhnliche Pracht. Die Wände wurden mit Seidentapeten tapeziert, wobei sich auch hier das Muster in den Sitzmöbeln wiederholte.

Der Großteil der Innenausstattung wurde nach den Entwürfen von Desvignes angefertigt, als Ergänzung kaufte der Architekt jedoch durchaus auch einzelne Möbel, Lampen, Teppiche, Uhren etc. aus dem 17. und 18.Jahrhundert dazu. Bemerkenswert ist, dass trotzdem die gesamte Ausstattung ein homogenes Erscheinungsbild bot.

Obwohl Desvignes beim Wiener Palais äußerst intensiv im Einsatz war, fand er doch Zeit, auch beim Schloss Eisgrub tätig zu werden. Schloss Eisgrub wurde als mittelalterliche Burg bereits im 13.Jahrhundert von der Familie Liechtenstein erbaut. Im Laufe der Jahrhunderte erfolgten mehrere Um- und Zubauten, und Mitte des 19.Jahrhunderts wurde das Schloss unter Fürst Alois von Liechtenstein angeblich nach Plänen der Architekten Peter Hubert Desvignes und Georg Wingelmüller im Stil der Neugotik (Tudor-Gotik) zum heutigen Aussehen umgebaut. Gesichert ist allerdings nur, dass Desvignes an Stelle eines hölzernen Gewächshauses ein neues Palmenhaus errichtete. Das Palmenhaus erhielt die Länge von 90 x 30 Metern. Die etwa 10 Meter hohe Gusseisenkonstruktion war mit schuppenartig übereinander gelegten Glasplatten versehen und stellte laut den Kostenaufstellungen des Architekten auch in diesem Fall eine äußerst kostspielige Arbeit dar.

Peter Hubert Desvignes hat mit dem überbordenden Reichtum an Ornamentik und plastischen Schmuck im Palais Liechtenstein den Inbegriff luxuriöser Wohnkultur geschaffen. Seinen guten Ruf erwarb er sich jedoch nicht nur durch die üppige, prachtvolle Formensprache, sondern auch durch deren äußerst gediegene, sprich qualitätsvolle Ausführung. „Durch Desvignes Werk“, so Witt-Döring, „fand Wien nicht nur Anschluss an die internationale Entwicklung des zweiten Rokoko, sondern wurde auch mit einem damals hier unbekannten, in England jedoch als selbstverständlich empfundenen Qualitätsstandard konfrontiert.“ (Witt-Dörring 1995)
top
Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
vor 1836Stallungen für einen Kaufmann in Liverpool
1836–1847Stadtpalais Liechtenstein, Wien 1, Bankgasse 9 / Minoritenplatz 4 (Umbauten)
zw.1836 u.1847Zubau auf der Löwelbastei neben dem Liechtensteinpalais (nicht erhalten)
um 1845Glashaus für Schloss Eisgrub, Mähren / Lednice, CZ

INNENRAUMGESTALTUNG/DESIGN:
1836–1847Stadtpalais Liechtenstein, Wien 1, Bankgasse 9 / Minoritenplatz 4 (Neugestaltung der Innenräume)

NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
1835Britische Parlamentshäuser (Wettbewerb)
top
Primärquellen

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
Fürstlich Liechtenstein’sches Haus-Archiv; Wien/Vaduz
Pfarrmatrikel Christ Church, London und Wien
top
Sekundärquellen

LITERATUR:
K. Eggert: Der Wohnbau der Wiener Ringstraße im Historismus 1855–1896. Die Wr.Ringstraße, Bd.7, Wiesbaden 1976
M. Huey: Peter Hubert Desvignes und die Neo-Rokoko-Neugestaltung des Stadt-Palais Liechtenstein. Dipl.Arb., Univ.Wien 1999 (Typoskript)
E. Ottilinger / L. Hanzl: Kaiserliche Interieurs. Die Hofkultur des Wiener Hofes im 19.Jh. Wien 1997
R. Stalla: „...Mit dem Lächeln des Rokoko...“ In: H. Fillitz (Hg.): Der Traum vom Glück (Ausst.Kat.). Wien 1996, S.221ff
R. Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19.Jh. Wien 1970
R. Wagner-Rieger / W. Krause: Historismus im Schloßbau. Wien/Passau 1975
C. Witt-Dörring: Eine Art Offenbarung. Die Neugestaltung der Innenräume des Stadtpalastes Liechtenstein (1837–1848. In: Parnass 11.1995, S.72–78

NACHSCHLAGEWERKE:
Dehio Wien/1 (I.Bez)

LEXIKA:
AKL

INTERNETLINKS:
http://www.familysearch.org/Eng/Search/ancestorsearchresults.asp?last_name=Desvignes
top
Anmerkungen
Auskünfte von Mr.Christopher Wentworth-Stanley
Eingegeben von: Inge Scheidl
Eingegeben am: 01.05.2012
Zuletzt geändert: 15.06.2012
top
  A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | Z
 
© Architekturzentrum Wien
Mit freundlicher Unterstützung des FWF
Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung