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Johann Georg Müller


Quelle: F. Rieger: Die Altlerchenfelder Kirche, 1911

Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 15.09.1822 - † 02.05.1849
Geschlecht: m
Geburtsort: Mosnang, Kanton St.Gallen
Land: Schweiz
Sterbeort: Wien
Land: Österreich
damaliger Name: Kaisertum Österreich
Titel: k.k. Professor
Religionsbekenntnis: Röm. - Kath.
Berufsbezeichnung: Architekt
Familiäres Umfeld: Vater: Johann Baptist M., Kreisamtmann
ledig
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Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
1833Realschule in Wil
1835Kantonschule in St.Gallen
1837Ausbildung bei Felix Wilhelm Kubly, St.Gallen
1839–1841Weiterbildung bei Georg Friedrich Ziebland, München
1840Studienreise nach Süddeutschland
1842–1844Italienreise
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Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
1841Tätigkeit im Atelier von Rudolph Oswald, Basel
1844Zivilarchitekt in Wil
1847Tätigkeit im Atelier von Ludwig Förster, Wien
1849Professor der Baukunst, k.k. Ingenieur-Akademie (dann k.k. Genie-Akademie)
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Auszeichnungen und Ämter
ab 1848Mitglied der Akademie der bildenden Künste
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Mitgliedschaften
ab 1842Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein
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Vita
Johann Georg Müller wurde 1822 in Mosnang (Schweiz) geboren. Sein Vater war Wirt, Kaufmann und Kreisamtmann von Mosnang. Obwohl seine Familie die Zukunft des Sohnes im Bauernstand plante, zeigte Müller sofort Begabungen für eine wissenschaftliche Ausbildung. 1833 übersiedelte die Familie nach Wil, wo Müller die Realschule besuchen konnte und sich besonders talentiert für landschaftliches und architektonisches Zeichnen zeigte. In diesen frühen Jahren begann Müller auch Gedichte zu verfassen. Diese Begabung pflegte er sein ganzes Leben.

1837, nach zwei Jahren in der Kantonschule in St.Gallen, begann Müller beim Staatsarchitekt Felix Wilhelm Kubly zu lernen. Kubly war ein Klassizist und führte ihn in die antike Baukunst ein. Parallel konnte Müller in Rorschach anhand Negrellis Plänen im Straßenbauwesen mitwirken. Dank der Empfehlung Kublys fing Müller 1839 in München seine Weiterbildung bei Georg Friedrich Ziebland an; dort besuchte er allerdings nicht die Akademie, sondern sammelte praktische Erfahrungen in Zieblands Atelier, und setzte sich mit der mittelalterlichen Baukunst – auch dank einer Studienreise durch Süddeutschland – auseinander.

Anfang 1841 nahm Müller am Wettbewerb für den Bau einer protestantischen Kirche im elsässischen Mühlhausen teil und gewann den dritten Preis. Im gleichen Jahr verließ er München und übersiedelte nach Basel, wo er seine erste Anstellung beim Architekten Rudolph Oswald fand; die war jedoch nur von kurzer Dauer, da Müller 1842 eine zweijährige Italienreise unternahm. Er entwickelte sich in dieser Zeit auch als Maler, da er Bilder für den Schweizer Architekten Amadeus Merian anfertigen sollte.

1843 war er ein zweites Mal in Florenz und – schon vom Vorhaben des Großherzoges Leopold II. von Toskana informiert, die Fassade des Domes Santa Maria del Fiore zu vollenden – verfasste die Schrift: „Ueber die einstige Vollendung des Florentiner Domes“, die später von Förster in der Allgemeinen Bauzeitung veröffentlicht wurde. Er entwarf Skizzen und Pläne für den Dom, die sich rund 40 Jahre später als Vorlage für das endgültige Projekt erweisen sollten.

1844 war Müller wieder als „Civilarchitekt“ in Wil. Einen ersten bedeutenden Auftrag erhielt er 1845 mit der Restaurierung der protestantischen St.Laurenzen Kirche in St.Gallen. In seinen Plänen setzte sich Müller für eine damals unübliche weitgehende Erhaltung des Altbestandes aus dem 15.Jh. ein. Im selben Jahr beteiligte er sich in Winterthur mit Erfolg am Entwurf eines Schweizer Nationalmonuments, das ihm Ansehen einbrachte, aber nie zur Ausführung kam.

1846, nach einem Aufenthalt in München wieder in der Schweiz, nahm Müller den zu der Zeit noch etwas außergewöhnlichen Bauauftrag an, für die projektierte Bahnlinie der Zürich–Bodensee Eisenbahn-Mustergebäude zu entwerfen.

1847 reiste Müller, der bereits mit den ersten Zeichen einer Tuberkulose belastet war, auf Einladung Ludwig Försters nach Wien. In der ersten Zeit hatte Müller nur ein geringes Einkommen durch den Verkauf von Aquarellen, die er nach seinen italienischen Reiseskizzen anfertigte. Juli–Oktober 1847 nahm er am Wettbewerb für die Markthalle in Brüssel teil. Durch die Bekanntschaft mit Ludwig Förster und Pietro Nobile bekam er die ersten Aufträge von Privatleuten, die sich jedoch nicht konkretisierten.

Müller litt, so wie die anderen freien Architekten, unter dem Mangel an öffentlichen Bauaufträgen. Durch seinen aufsehenerregenden Vortrag vor dem neu gegründeten Ingenieur-(und Architekten-)Verein: «Der deutsche Kirchenbau und die neu zu erbauende Renaissancekirche in Altlerchenfeld» gelang es ihm, in der habsburgischen Monarchie 1848 erstmals einen öffentlichen Wettbewerb zu erzwingen.

Der Wettbewerb wurde zugunsten Müllers entschieden und nach kurzer Zeit erhielt er vom Ministerium für öffentliche Bauten den Auftrag, die Altlerchenfelder Kirche auszuführen, die er aber zunächst wegen der politischen Unruhen in diesem Jahr und sodann auf Grund seines baldigen Todes nicht ausführen konnte. Nach seinem Tod führte der ihm zugeteilt gewesene Franz Sitte das Projekt weiter. Im Januar 1849 wurde Müller, durch die Vermittlung Nobiles die Professur der Baukunst an der Ingenieur-Akademie (der späteren Genie-Akademie) übertragen.

Johann Georg Müller starb am 2. Mai 1849 im 27.Lebensjahr an Tuberkulose in Wien.
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Stellenwert
Johann Georg Müllers architektonische Bedeutung ist mit seiner Suche nach einem „Neuen Stil“ eng verbunden. Wie U. Ninfa betont, war Müller der Meinung, dass durch das Studium der Architekturgeschichte der Schlüssel zur Entwicklung eines neuen, zeitgemäßen Stils gefunden werden könne. Die originale Anwendung eines historischen Baustils war aber laut Müller zu vermeiden, da jeder Stil an die Zeit seiner Entstehung gebunden war.

Der Neue Stil bestand also für Müller nicht in spektakulären Erfindungen, sondern in der gelungenen Verbindung aller vorhergehenden Erfahrungen und Einflüsse, die zumeist aus seinem Florentiner Aufenthalt stammten. Auch der von Renate Wagner-Rieger bezeichnete „romantische Stil“, dem sie Müller zuordnete, bezeichnete das Streben nach einer Synthese verschiedener Stile.

Müllers These kann man leicht an seinem Projekt für die Altlerchenfelder Kirche in Wien beobachten, wo er sich mit der Anwendung des Rundbogenstils zusammen mit gotischen Konstruktionsprinzipien deutlich von den neogotischen Puristen distanzieren wollte. Seine Kirche sollte ein ursprüngliches Projekt von Paul Sprenger ersetzen, das dagegen in den damals üblichen klassizistischen Formen konzipiert war. Das Geschehen des Wettbewerbs und der originell entstandene Stil bewirkten, dass Müllers Altlerchenfelder Kirche von der Historiographie als Schlüsselbau für die Wende von Klassizismus zum Historismus in Wien angesehen wurde.

Müller setzte sich auch als einer der ersten in seiner Zeit mit der Frage des Genius Loci auseinander, die dann erst am Ende des 19.Jhs. viele Architekten beschäftigte. Das zeigt sich am bestens bei seinen Bahnhofprojekten. Als Pionier auf dem Gebiet der damals neuen Bauaufgabe der Bahnhofbauten stellte er fest, dass ein Bahnhof funktional und emotional an die Stelle des ehemaligen Stadttors treten und sich jeweils der örtlichen Bauweise anpassen sollte.
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Werke

ÖFFENTLICHE BAUTEN:
1845St. Laurenzen Kirche, St.Gallen (Restaurierung)
1848–1849Altlerchenfelder Pfarrkirche, Wien 7, Lerchenfelderstraße 111 (nach 1849 bis 1861 von F. Sitte fertiggestellt; Innengestaltung E. Van der Nüll)

INDUSTRIE-/GEWERBEBAUTEN:
1846Hochbauten für die Bahnlinie Zürich–Bodensee

NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
1841Protestantische Kirche, Mühlhaus / Moulhouse, F (Wettbewerb, 3.Preis)
1843Fassade der Kathedrale S.Maria del Fiore, Florenz, I
1845Schweizer Nationalmonument, Winterthur, CH
1847Markthalle, Brüssel, B (Wettbewerb)
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Primärquellen

PUBLIKATIONEN:
J.G. Müller: Ueber die einstige Vollendung des florentiner Domes. Ein Beitrag zur Darlegung der Gestaltung und Bedeutung des christlichen Domes. In: ABZ 12.1847, S.179–213, Bl.111–114
J.G. Müller: Ueber die italienisch-mittelalterlichen Grabdenkmäler. In: ABZ 13.1848, S.153–162, Bl.189
J.G. Müller: Der deutsche Kirchenbau und die neu zu erbauende Renaissance Kirche für Altlerchenfeld. Wien 1848

VORTRÄGE:
1848 Der deutsche Kirchenbau und die neu zu erbauende Renaissancekirche für Altlerchenfeld (beim österr. Ingenieurverein, im selben Jahr gedruckt)

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
Wr.Ringstraßenarchiv; Pfarre Maria Treu (Matrikenstelle); Archiv Adler
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Sekundärquellen

LITERATUR:
F. Achleitner: Wiener Architektur: zwischen typologischem Fatalismus und semantischem Schlamassel. Wien 1996
L. Beltrami. Gian Giorgio Mueller. Per la facciata di Santa Maria del Fiore, Firenze 1899
E. Förster: Johann Georg Müller ein Dichter- und Künstlerleben. St.Gallen 1851
H.C. Hoffmann / W. Krause / W. Kitlitschka: Das Wiener Opernhaus. Die Wr.Ringstraße, Bd.8. Wiesbaden 1972
A. Kieslinger / E. Mejchar: Die Steine der Wiener Ringstraße. Die Wr.Ringstraße, Bd.4. Wiesbaden 1972
U. Ninfa: Johann Georg Müller 1822–1849: Ein Architekt auf der Suche nach dem Neuen Stil. St.Gallen 1993
W. Olbrich: Johann Georg Müller. Eine Kurzbiographie. Wil 1995
B.I. Polasek: Johann Georg Müller, ein Schweizer Architekt, Dichter und Maler, 1822–1849. St.Gallen 1957
F. Rieger: Die Altlerchenfelder Kirche, ein Meisterwerk der bildenden Kunst ... . Wien 1911
E. Springer: Geschichte und Kulturleben der Wiener Ringstraße. Die Wr.Ringstraße, Bd.2. Wiesbaden 1979
F.A. Thomek / S. Seeliger: Altlerchenfelder Kirche Wien. München Zürich 1961
R. Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19.Jh. Wien 1970
R. Wagner-Rieger: Der Historismus in der Wiener Architektur des 19.Jh.s. In: Alte und moderne Kunst 13.1968, S.2–15

HINWEISE AUF WERKE:
Allgemeine Bauzeitung
45.1880, S.28, Bl.29 (Das Portal d. Alt-Lerchenfelder-Pfarrkirche i. Wien)

NACHSCHLAGEWERKE:
Dehio Wien/2 (II.–IX.u.XX.Bez.)

LEXIKA:
Czeike; ÖBL; ThB; Wurzbach
I. Rucki / D. Huber (Hrsg.): Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert. Basel 1998
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Anmerkungen
Eingegeben von: Diego Caltana
Eingegeben am: 31.10.2011
Zuletzt geändert: 01.12.2011
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