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Alois Pichl

Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Ausstellungen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 1782 - † 19.05.1856
Geschlecht: m
Geburtsort: Milano
damaliger Name: Mailand
Land: Italien
damaliger Name: österreichische Lombardei
Sterbeort: Wien
Land: Österreich
damaliger Name: Kaisertum Österreich
Titel: Hofarchitekt
weitere Namen: Luigi P.
Religionsbekenntnis: Röm. - Kath.
Berufsbezeichnung: Architekt
Familiäres Umfeld: Vater: Wenzel P. (1741–1805), Komponist u. Kapellmeister
Mutter: Katharina, geb. Somogy de Koloszvar
Bruder: Ferdinand P. (1775–1826)
Ehe (1809) mit Maria Anna, geb. Böhm (ca.1785–1856)
Kinder: Marie (ca.1814–1847); Rosalia (ca.1816–1856)
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Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
vor 1802Architekturausbildung in Italien
1802Akademie der bildenden Künste Wien (nur der Gundel-Preis nachweisbar)
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Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
ab 1803Hofarchitekt des Erzherzogspaar Ferdinand Karl und Beatrix von Österreich-Este
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Auszeichnungen und Ämter
1802Gundel-Preis für Architekturzeichnung
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Mitgliedschaften
o.J.Accademia di San Luca, Roma
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Vita
Alois Pichl wurde 1782 wohl als Luigi Pichl in der damaligen österreichischen Lombardei geboren. Die Familie war eng mit dem Modena-Zweig der Habsburger verbunden, da sein Vater Kapellmeister am Mailänder Hof von Ferdinand Karl von Habsburg, dem Begründer des Hauses Österreich-Este, war und sein älterer Bruder Ferdinand später Architekt und Baukunstlehrer in der Erzherzogsfamilie war. Die Mutter stammte aus einer wohlhabenden ungarischen Familie und das lässt möglicherweise die Vertrautheit Pichls mit der magyarischen Kultur und Gesellschaft erklären.

Pichl studierte zunächst in Italien und beendete wahrscheinlich um 1802 seine Ausbildung an der Wiener Akademie (wo er allerdings nur durch den Gundel-Preis aufscheint und im Register bereits als Architekt bezeichnet ist). 1803 wurde Pichl Hofarchitekt des Erzherzogspaars Ferdinand Karl und Beatrix, die inzwischen in Wien ansässig geworden waren, und später auch des Erzherzogs Franz (Herzog von Modena). Von der Erzherzogsfamilie bekam er seine ersten wichtigen Aufträge, unter denen der Umbau des heutigen Palais Modena in der Herrengasse (1811–1814) wohl der bedeutendste ist. In den darauffolgenden Jahren arbeitete Pichl vor allem in Ungarn, wo er zumeist für die in Ungarn lebenden Mitglieder der erzherzoglichen Familie tätig war, aber auch Aufträge von den vornehmsten ungarischen Adelsfamilien bekam. Ab 1818 war seine wichtigste Bauaufgabe das Schloss Kistapolcsány (heute Topolcianky, SK) für Graf Johann Keglevich. 1820 und 1824 machte Pichl zwei – vergebliche – Versuche, zum Oberarchitekt am Dom von Gran (heute Esztergom, H) ernannt zu werden.

1818 realisierte Pichl in Brünn – wo sein Bruder Ferdinand anscheinend gute Kontakte zum Baudepartment hatte – das Friedensdenkmal am Franzensberg in Form eines Obelisken (heute Denisovy sady, Brno, CZ).
In den 1830er Jahren etablierte sich Pichl als einer der führenden Architekten Wiens, 1835–1838 erbaute er den Hauptsitz der Ersten österreichischen Sparkasse am Graben und schon davor (1832) bekam er den prestigeträchtigen Auftrag, das niederösterreichische Landhauses (heute Palais Niederösterreich) umzubauen, und bereicherte so die Herrengasse mit einem weiteren Beispiel des Wiener Klassizismus.

In den 1840er Jahren erhielt Pichl ein zweites Mal einen Bauauftrag von Graf Keglevich, diesmal für den Umbau des Schlosses Nagyugróc (heute Velké Uherce, SK), und für diesen Bauauftrag verließ er seine bevorzugte klassizistische Formensprache zugunsten der Neogotik, die er schon beim nicht realisierten Umbau des „Hauses der Laune“ in Laxenburg, 1812, erprobt hatte. Sein letztes großes Engagement war die Teilnahme an der Ausschreibung für das Pester Ständehaus im Jahr 1844. Alois Pichl starb 1856 im 74. Lebensjahr in Wien.
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Stellenwert
Die Begabung Pichls zeigte sich schon früh, als er 1802 den begehrten Gundel-Preis für Architekturzeichnung gewann. Trotzdem sollte Pichl 1815 einen ergebnislosen Versuch machen, als Mitglied der Wiener Akademie aufgenommen zu werden. Er war aber Mitglied der vornehmsten Accademia di San Luca in Rom und das erklärt unter anderem die starke Bindung, die Pichl Zeit seines Lebens zu Italien hatte und die sich etwa zeigte, als er anlässlich seines ersten Versuchs, Oberarchitekt am Dom in Esztergom zu werden, erklärte „Mein Vatterland [sic] ist Italien“.

Die Verbindung mit Italien spielte für seine Tätigkeit eine bedeutende Rolle: sein erster großer Auftrag – der Umbau des Palais Modena (1811–1814) – wurde Pichl zugeteilt, da er ebenso wie Quarenghi, der auch mit demselben Bauauftrag betraut wurde, die italienische Spielart des Klassizismus vertrat.

Das von vielen Seiten als Hauptwerk Pichls betrachtete Niederösterreichische Landhaus in Wien (1832–1848) ist in den 1830er Jahren nur zum Teil der strengen Formsprache des Klassizismus treu geblieben. Im Gegensatz zum ebenfalls in der Herrengasse gelegenen Palais Modena weisen die Maße und die Anwendung der kolossalen korinthischen Dreiviertelsäulen einerseits auf die Funktion als monumentales öffentliches Gebäude hin, andererseits zeigt sich darin aber auch ein Hinweis auf den italienischen Manierismus. Dieser Wandel könnte vielleicht schon im Schloss Kistapolcsány (1818–1825) einen Vorläufer gefunden haben, wo Pichl in unorthodoxer Weise eine klassische und ordentliche Komposition mit einer Kuppel (deren Vorbild die palladianische Kirche San Simeone Piccolo in Venedig zu sein scheint) verziert.

Mit seinem dritten Wiener Monumentalbau, der Ersten Österreichischen Spar-Casse (1835–1838), kehrte Pichl sozusagen zum Ursprung zurück: Das Haus entbehrt aller Dekoration, die tektonische Reinheit definiert das massive Gebäude als rein klassizistisches Bauobjekt. Anlässlich der Bauausschreibung für das Ständehaus in Pest (1844) erläuterte Pichl, dass er ein Anhänger des „Griechisch-Römisch Palladianischen Baustyls“ sei, was auch die Frage des „reinen Klassizismus“ klärt.

Pichl – der eigentlich auch für viele projektierte und ausgeführte Kirchen im historischen Ungarn immer eine klassizistische Architektursprache wählte – wandte sich für seinen letzten großen realisierten Bauauftrag, dem Schloss Nagyugróc (1844), der Neogotik zu, nachdem er 1812 die Pläne für den Umbau des von Hohenberg erbauten „Hauses der Laune“ in gotisierendem Stil vergeblich geliefert hatte. Wie Jozsef Sisa betont, ist das Landschloss ein bahnbrechendes Werk der englisch-gotisierenden Romantik in Ungarn. Doch ist es auch ein Beispiel der Vielseitigkeit, die „Klassizisten“ wie Pichl, aber auch Nobile kennzeichnete.
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Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
1806–1810Sommerpalais Modena, Wien 3 (umstritten zugeschrieben; abgebrochen)
1811–1814Palais Modena, Wien 1, Herrengasse 7, (Adaptierung Projekt Quarenghi und Bauausführung)
1812–1815Horváth-Palast in Pest / Budapest, H
1814Lusthaus in Kotenburg / Sárvár, H
1818–1825Schloss und Park Kistapolcsány, Ungarn / Topolcianky, SK
ca.1820Schloss Rappoltenkirchen, NÖ (Umbau)
1829Palais Montenuovo, Wien 1, Löwelstraße (zugeschrieben)
1834–1835Villa Arthaber-Wertheimstein, Wien 19, Döblinger Hauptstraße 96
1844–1850Umbau Schloss Nagyugróc, Ungarn / Velké Uherce, SK

ÖFFENTLICHE BAUTEN:
1818Obelisk am Franzensberg, Brünn, Mähren / heute Denisovy sady, Brno, CZ
1825Rekonvaleszentenhaus der Barmherzigen Brüder, Wien 14, Linzerstraße 466
1831–1849Pfarrkirche in Jolsva, Ungarn / Jelsava, SK
1836Erste Österreichische Spar-Casse, Wien 1, Graben
1837–1839Kommendehaus des Souveränen Malteser-Ritterordens, Großpriorat von Österreich, sog. Johanneshof, Wien 1, Kärntnerstraße 35 / Johannesgasse 2
1837–1848Niederösterreichisches Landhaus (Palais Niederösterreich), Wien 1, Herrengasse 13
1838 Stadttheater Lemberg/Lwiw, vul. Lesi Ukrajinsky 1
1838–1841Kirche in Enying, H

INNENRAUMGESTALTUNG/DESIGN:
1820Umgestaltung Innenräume, Palais Starhemberg, Wien 1, Minoritenplatz

NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
1812Umgestaltung Haus der Laune, Schloss Laxenburg
1817Entwurf für das Burgtor
1835, 1850Projekte für ein Hofopernhaus und die Stadterweiterung
1838Konkurrenzprojekt St.Johann Nepomuk, Wien 2, Praterstraße (Wettbewerb)
1844Ständehaus (Parlament), Pest / Budapest, H (Preisausschreiben)
o.J.Projekt eines Monumentalbaus vor dem Kärntnertor
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Primärquellen

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
Archiv Adler; Wien Museum; ABK
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Sekundärquellen

LITERATUR:
Anonym: Facaden neu aufgeführter Gebaeude in Wien. Wien o.J.
R.H. Beutler: Das Niederösterreichische Landhaus in Wien. Der klassizistische Umbau durch Alois Pichl, Diss., Wien 2003
Klassizismus in Wien. Architektur und Plastik. Historisches Museum der Stadt Wien 1978 (Ausst.Kat.)
B. Komarik: Die Entwurfskonkurrenz für das Pester Ständehaus vom Jahre 1844. In: Acta technica Academiae scientiarum Hungaricae 77.1974, S.1ff
M. Mager: Die zwei klassizistischen Ausstattungen der Vestibül-Festsaal-Raumfolge des Palais Starhemberg. Dipl.Arb., Wien 2008
R. Perger / W.G. Rizzi: Das Palais Modena in der Herrengasse zu Wien. Wien 1997
J. Sisa: Alois Pichl in Ungarn: Die Tätigkeit eines Wiener Architekten in Ungarn während der ersten Hälfte des 19.Jh.s. Acta Historiae Artium 28.1982, S.67ff
J. Sisa: Alois Pichl (1782–1856) epitesz Magyarorszagon. Budapest 1989
J. Sisa: Mansions Under the Spell of the „Olden Times“. Country House Building in the English Style, in: Ars 42.2009, S.206ff.
R. Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19.Jh. Wien 1970
R. Wagner-Rieger: Die Wiener Architektur des Klassizismus. In: Alte und moderne Kunst 81.1965, S.5ff
D. Wiebenson / J. Sisa (Hg.): The architecture of historic Hungary. Cambridge (Mass.) 1998
P. Zatloukal: Die Brünner Ringstraße. In: H. Haas / H. Stekl (Hg.): Bürgerliche Selbstdarstellung. Städtebau, Architektur, Denkmäler. Wien 1995

HINWEISE AUF WERKE:
Allgemeinde Bauzeitung
2.1837, S.294 (Niederösterreichisches Landhaus)

NACHSCHLAGEWERKE:
Dehio Wien/1 (I.Bez); Dehio NÖ/Süd M–Z

LEXIKA:
Wurzbach; ThB; ÖBL; Czeike

INTERNETLINKS:
www.aeiou.at; www.schloss-laxenburg.at
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Ausstellungen
Klassizismus in Wien – Architektur und Plastik. 56.Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 1978
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Anmerkungen
Eingegeben von: Diego Caltana
Eingegeben am: 01.03.2011
Zuletzt geändert: 09.01.2020
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