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Theodor Reuter

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Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 09.03.1837 - † 01.02.1902
Geschlecht: m
Geburtsort: Wien
Land: Österreich
damaliger Name: Kaisertum Österreich
Sterbeort: Baden bei Wien
Land: Österreich
damaliger Name: Österreich-Ungarn
Titel: Baurat
Religionsbekenntnis: Röm. - Kath.
Familiäres Umfeld: Vater: Jakob R. (1800-1863), Custos am Techn.Cabinete; Prof.am k.k.Polytechn.Institut, kaiserl. Rat
Ehe (1874) mit Helene R.
Kinder: Fritz, Dr.med.; Max, Dr.techn., Dipl.Chem.; Elsa; Hermann, Dipl.Ing.
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Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
o.J.Fünf Klassen Piaristen-Gymnasium
1852/1853Vorbereitungsjahrgang am polytechn. Institut für höhere techn. Studien
1853-1859Polytechnisches Institut (=später Technischen Hochschule Wien), technische Abteilung
1858/1859Akademie der bildenden Künste Wien (bei van der Nüll, 1861/1862 bei Siccardsburg)
1862-1865Akademie der bildenden Künste Wien (bei Friedrich Schmidt)
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Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
1859Leiter der Wasserbauten bei der kaiserl. Papierfabrik Schlöglmühle, NÖ
1864-1869Tätigkeit im Atelier Friedrich Schmidts
1869-1872Obering. im Zentralbüro für Hochbau der österr. Nordwestbahn
1872-1874Baudirektor der Österr. Gesellschaft für Kurorte
1886-1898Zusammenarbeit mit Alexander Wielemans
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Auszeichnungen und Ämter
1871Befugnis zum Zivilarchitekt für NÖ
1880-1890Kammerrat der Ing.Kammer d. Vereins der Ziviltechniker in NÖ
1883-1889Mitglied des Wiener Gemeinderats
ab 1884Sachverständiger der Hypothekar-Creditabteilung der österr.-ung. Bank
ab 1889Sachverständiger der NÖ Hypothekenbank
ab 1890Schätzmeister für das Hochbaufach
ab 1894Mitglied der Wiener Baudeputation
1898Beisitzer-Stellvertreter des Schiedgerichts d. Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt für Niederösterreich
1892-1896Mitglied der ständigen Delegation des III.Österr.Ingenieur- und Architekten-Tages
(Mitglied der Wasserversorgungskommission)
1898Baurat
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Mitgliedschaften
ab 1858Österreichischer Ing.- und Architektenverein (Mitglied des Schiedgerichts und mehrerer Ausschüsse)
ab 1863Wiener Bauhütte
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Vita
Theodor Reuter wurde 1837 als Sohn eines kaiserlichen Rates, Custos am „techn. Cabinete“ und späteren Professor am Polytechnischen Institut in Wien geboren. Auf Betreiben des Vaters erhielt Reuter eine fundierte Ausbildung, zunächst am renommierten Piaristengymnasium und im Anschluss daran eine technische Ausbildung am Polytechnischen Institut (der späteren Technischen Hochschule), die er im Jahr 1859 abschloss. Schon in seinem letzten Studienjahr inskribierte Reuter auch an der Akademie der bildenden Künste. Er unterbrach sein Studium allerdings, als ihm die Leitung der Wasserbauten bei der Papierfabrik Schlöglmühle, NÖ, angeboten wurde, wo er erstmals seine technischen Kenntnisse verwerten konnte. Im Jahr 1861 setzte Reuter sodann sein Studium an der Akademie fort, und zwar zunächst bei Siccardsburg und anschließend bei Friedrich Schmidt.

Sofort nach Beendigung seines Studiums wurde Reuter von Friedrich Schmidt in sein Atelier aufgenommen. Er arbeitete an verschiedenen Wiener Projekten Schmidts mit, wie etwa als Bauleiter bei der Kirche Maria am Siege in Wien-Fünfhaus. Besondere Anerkennung erfuhr Reuter von seinem ehemaligen Lehrer für seine Tätigkeit am Schloss Fischhorn bei Zell/See (1865), da er diesen Bau völlig in Eigenregie, nur durch briefliche Anweisungen Schmidts geleitet hatte.

Im Jahr 1869 endete Reuters Tätigkeit im Atelier Schmidts, da er nun als Oberingenieur der österreichischen Nordwestbahn die Bauleitung bei diversen Stationsgebäuden und vor allem bei dem von W. Bäumer entworfenen Hauptbahnhof in Wien übernahm.

In den Jahren 1872-1884 bewährte sich Reuter sodann – wiederum als Bauleiter – bei der Errichtung diverser Hotelbauten in Gmunden, Marienbad und Gries bei Bozen sowie bei dem von Hippolyte Destailleur entworfenen Palais Baron Albert de Rothschild, Wien 4, Prinz Eugen-Straße 20.

Mit einer Tätigkeit als selbständiger planender Architekt scheint Reuter nur in den Jahren 1886-1898 auf, als er sich gemeinsam mit seinem Freund Alexander Wielemans, der ebenfalls ein ehemaliger Schmidtschüler war, an einigen Wettbewerben beteiligte und schließlich den Um- und Ausbau des Rathauses in Graz, Hauptplatz 1-2 (1887-1894) durchführte sowie die Neu-Ottakringer Pfarrkirche in Wien 16, Familienplatz (1895-1898) errichtete.

Im Jahr 1894 wurde Reuter auf Grund eines Krebsleidens ein Stimmband entfernt, und er konnte sich von da an nur mehr schwer verständlich machen. Er gab seine architektonischen Ambitionen nun endgültig auf, und nachdem er schon vorher als Sachverständiger und Schätzmeister diverser Banken sowie als Gemeinderat aktiv gewesen war, widmete er sich nun im Rahmen seiner Mitgliedschaft beim Österreichischen Ingenieur- und Architektenverein voll und ganz theoretischen Problemen, die sich vor allem durch die rasante Stadtentwicklung Wiens ergaben. So war Reuter etwa mit der Erstellung einer neuen Bauordnung befasst, beschäftigte sich mit den Problemen der steigenden Grundstückspreise im Zuge der Ausdehnung der Stadt, verfocht vehement die Schaffung menschenwürdiger Wohnungen auch für arme Bevölkerungsschichten, forcierte die Elektrifizierung der Wiener Stadtbahn und vieles mehr.

Allgemein geschätzt und anerkannt starb Theodor Reuter nach einjährigem schwerem Leiden im 65.Lebensjahr in Baden bei Wien.
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Stellenwert
Theodor Reuter war nur in Zusammenarbeit mit Alexander Wielemans architektonisch planerisch tätig. Bei dem ersten Projekt, dass die Architekten gemeinsam realisierten, dem Umbau und Ausbau des Rathauses in Graz, Hauptplatz 1-2 (1887-1894), hatten die beiden Architekten in formaler Hinsicht wenig Spielraum, da sie sich an dem bestehenden klassizistischen Bau orientierten mussten.

Der bedeutendste Auftrag Theodor Reuters war die Errichtung der Neu-Ottakringer Pfarrkirche in Wien 16, Familienplatz. Bereits im Jahr 1885 hatte er mit Wielemans erste Entwürfe geliefert, doch wurde die Kirche erst nach mehreren Umplanungen in den Jahren 1895-1898 ausgeführt.

Der Ziegelbau ist in neogotischen Formen errichtet, und vieles – wie etwa die Material- und Stilwahl – deutet auf den ehemaligen Lehrer Friedrich Schmidt hin. Schmidt war in den 1860er und 70erJahren der bedeutendste Kirchenerbauer in Wien gewesen, und dessen spezifisches Formenrepertoire hatte schulbildende Wirkung auf die nächste Architektengeneration erlangt. Bezeichnenderweise kam der Großteil der Architekten, die um 1900 Kirchenneubauten errichteten, aus der Meisterschule von Friedrich Schmied.

Die Neu-Ottakringer Kirche ist als Hallenkirche konzipiert. Um der vermehrt erhobenen Forderung genüge zu leisten, dass möglichst alle Gläubigen eine gute Sicht zum Altar haben sollten, ist das Mittelschiff stark verbreitert und die Seitenschiffe sind quasi zu schmalen Gängen reduziert. In der Außengestaltung haben Wielemans und Reuter die auf einem großen Platz gelegene und auf Fernsicht konzipierte Kirche mit einer mächtigen Doppelturmfassade ausgestattet, obwohl damals noch weitgehend die Meinung vorherrschte, dass eine Doppelturmfassade allein einem Kathedralbau vorbehalten sein müsse.

Bemerkenswert ist die Gestaltung des Chores. Insbesondere um die Jahrhundertwende wurde einer malerischen Gestaltung große Bedeutung zugemessen, und im Kirchenbau konzentrierte sich die malerische Gestaltung zumeist auf die Chorpartie. Auch Wielemans und Reuter haben bei der Neu-Ottakringer Pfarrkirche den Chor in diesem Sinne gestaltet, indem sie mit verschiedenen Türmchen und Anbauten, vor allem aber mittels eines Chorumgangs eine vielfältige, malerische Auflockerung erzielten. Auffällig ist allerdings, dass der Chorumgang zum Kircheninnenraum nicht geöffnet wird: Der Chorumgang galt wie die Doppelturmfassade allein bei einer Kathedrale als angemessen, und indem man den Chorumgang im Inneren nicht ausformulierte, wurde dieser Regel wenigstens in gewisser Weise Rechnung getragen. Bei der Außengestaltung der Kirchen waren hingegen diese strikten Normen bereits von Friedrich Schmidt in den 1860er und 70er Jahren in Hinblick auf die Steigerung des malerischen Effekts in Frage gestellt worden, d.h. Wielemans und Reuter konnten in dieser Hinsicht auf einen bereits etablierten Architekturtopos zurückgreifen.

Letztlich bleibt Theodor Reuter innerhalb seiner Gesamttätigkeit als Architekt kaum fassbar. Er war vor allem als zuverlässiger und kompetenter Bauleiter von diversen Architekten gefragt, realisierte aber kein Objekt in eigener Verantwortung. Bei den mit seinem Freund Wielemans geplanten Gebäuden muss daher die Frage, in welchem Umfang Reuter eigene Ideen einbrachte, offen bleiben.
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Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
1865Schloss Fischhorn bei Zell/See, Sbg. (Bauleitung, Entw. Friedrich Schmidt)
1968-1875 Pfarrkirche Maria vom Siege, Fünfhaus, Wien 15, Mariahilfer Gürtel (Bauleitung, Entw. Friedrich Schmidt)
1876-1884Palais Baron Albert de Rothschild, Wien 4, Prinz Eugen-Straße 20 (Bauleitung, Entw.Hippolyte Destailleur, 1960 abgerissen, heute Kammer für Arbeiter und Angestellte)

ÖFFENTLICHE BAUTEN:
1869-1872Stationsgebäude und Hauptbahnhof Wien der Österr. Nordwestbahn (Bauleitung, Entw. W. Bäumer)
1887-1894Rathaus, Graz, Hauptplatz 1-2, Stmk. (Wettbewerb, mit Alexander Wielemans, unter Verwendung des klassizistischen Altbaus)
1894-1898Neu-Ottakringer Pfarrkirche Hl.Familie, Wien 16, Familienplatz (Wettbewerb 1885, mit Alexander Wielemans)

INDUSTRIE-/GEWERBEBAUTEN:
o.J.Spinnerei in Zugmantel (keine genaueren Angaben)

NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
1886Wiener Frucht- und Mehlbörse (Wettbewerb, einer der drei Preise, mit Alexander Wielemans)
18874 Ministerial-Gebäude in Belgrad
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Primärquellen

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
Archiv Wiener Ringstraße; Pfarrarchiv St.Christoph Baden; WStLA (Todesfallaufnahme, Verlassenschaftsabhandlung)
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Sekundärquellen

LITERATUR:
W. Bandion: Steinerne Zeugen des Glaubens. Die heiligen Stätten der Stadt Wien. Wien 1989
F.v.G.: Architekt Theodor Reuter [Nachruf]. In: ZÖIAV 54.1902, S.158ff
P. Kortz: Wien am Anfang des 20.Jh.s. 2 Bde. Wien 1906
M. Paul: Technischer Führer durch Wien. Wien 1910
St. Rechnitz: Die Badener Friedhöfe. Wien 1960. Typoskript in der Wr.Stadt-und Landesbibliothek
I. Scheidl: Schöner Schein und Experiment. Katholischer Kirchenbau im Wien der Jahrhundertwende. Wien 2003
R. Schmidt: Das Wiener Künstlerhaus 1861-1951. Wien 1951
M. Steffal: Die Tätigkeit des Wiener Gemeinderates 1889-1892, phil.Diss. (Ms.), Wien 1974
R. Wagner-Rieger (Hrsg.): Das Kunstwerk im Bild. In: Dies.: Die Wiener Ringstraße. Bild einer Epoche, Bd.7. Wiesbaden 1969
R. Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19.Jh. Wien 1970

HINWEISE AUF WERKE:
Österreichische Wochenschrift f.d. öff. Baudienst
10.1885, S.361f (Entwürfe für eine Kirche samt Pfarrhof in Ottakring)

WBIZ
8.1890/1891, S.519, T.94 (Rathaus in Graz)
17.1900, S.39f, T.11ff (Neu-Ottakringer Kirche)

Wochenschrift des österr. Ingenieur- und Architektenvereins
12.1887, S.4f (Die Concurrenz-Projekte f. den Bau einer neuen Frucht- und Mehlbörse in Wien)

ZÖIAV
51.1899, S.353f (Neu-Ottakringer Kirche)

NACHSCHLAGEWERKE:
Dehio Wien/3 (X.-XIX.u.XXI.-XXIII.Bez.)
L. Eisenberg: Das geistige Wien. Wien 1893
H. Kosel (Hg.): Deutsch-österreichisches Künstler- und Schriftsteller-Lexikon, Bd.1, Wien 1902
S. Waetzoldt: Bibliographie zur Architektur im 19.Jh. Nendeln 1977

LEXIKA:
ThB
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Anmerkungen
Eingegeben von: Petra Schumann/Inge Scheidl
Eingegeben am: 29.01.2008
Zuletzt geändert: 06.06.2008
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